3.7.12

rat race

An den meisten Tagen dieser Rotation merke ich meine Erschöpfung erst daran, dass es mich fast aus der Bahn wirft, wenn mir nach 13h Intensivstation auf dem Heimweg ein Autofahrer mit Lichthupe und wildem Gestikulieren hinterherschimpft.

Dann stelle ich plötzlich wieder einmal fest, dass ich mich seit 7 Uhr im Ausnahmezustand befunden habe. Versucht habe, so gut es ging zu triagieren, 24 Patienten gleichzeitig im Blick zu haben, Angehörigen gerecht zu werden, kleinere und größere Nachlässigkeiten auszubügeln, Kollegen zu unterstützen und informieren, Notfälle zu beherrschen und darüber die Routineaufgaben nicht der nächsten Schicht liegen zu lassen. Manchmal gibt es einen Kick von der Art, eigentlich Unmögliches möglich gemacht zu haben. Diese Höhenflüge sind meist selbstlimitierend. Denn wo alles auf Kante genäht ist, reissen manche Ecken unweigerlich aus. Dann ist es gut, sagen zu können: Zu wissen, ich bin meinen Patienten gerecht geworden, gibt mir Befriedigung. Nicht, dass ich heute wieder 7 Betten geschaffen habe und der Oberarzt mich lobt.

Und wenn man den ganzen Tag versucht, so vielen verschiedenen Ansprüchen gerecht zu werden, und abends der rechts hinter mir nicht sieht, dass ich zum Spurwechsel blinke, und mich beschimpft, dann hab ich manchmal keinen Bock mehr.

27.6.11

I'm not here

Ich fühle mich, als stünde ich vor einem Scherbenhaufen. Den ich selbst angerichtet habe. Und darüber schwebt ein Schild. "Die großen Träume der kleinen U."


Dieses blog dient nurmehr als Ersatzcouch, wie es scheint. Seit langer Zeit nur vereinzelte posts in Extremsituationen. Wie gerade. Woher kommt dieses Gefühl, dass alles, aber auch wirklich alles, was man anpacken möchte/sollte/muss, keinerlei Sinn besitzt? Dieses Gefühl, wie auf einem Hochseil, wenn man vor Angst erstarrt keinen Schritt wagt, und doch weiß, wenn man sich nicht bewegt, kommt man nirgendwo an, und stürzen ist nur eine Frage der Zeit. Obwohl doch genau das Stürzen das ist, wovor man Angst hat. Ich habe den Eindruck, es gibt von mir zwei Versionen. Die Heldin und die Versagerin. Wann werden die zwei Freunde? Bisher verleugnen sie sich gegenseitig. Statt einander zu helfen. Ich kann die Ansprüche an mich nicht erfüllen. Und trotzdem spüre ich, dass ich vielmehr kann als ich tue. Doch für die Versagerin ist solch eine Erkenntnis lediglich ein weiters Zeugnis ihrer Handlungsunfähigkeit und lachhaften Winzigtums.

Mir ist wohl klar, dass solche Schwarzweiß-Malerei niemals ein distanziertes, um Objektivität bemühtes Situationsbild sein kann. Aber ich kann das Bild nicht verändern. Das ist das psychologische Äquivalent einer motorischen Lähmung. Man schaut sich seine Zehen an, weiß genau, wie es geht, sie zu beugen, kann die Bewegung vor sich sehen - aber die Muskeln regen sich nicht. Absolute Machtlosigkeit. In solchen Phasen (gab es andere seit ich, sagen wir, 12 bin?) nur ein Impuls: Nicht da sein. Flucht in Traumwelten. Stundenlanges Surfen, ungeöffnete Briefe, aborted plans all day.
Nichts, rein gar nichts hinzukriegen.

6.1.10

press play to begin

allesallesalles ist jetzt anders. Zwei rosa Streifen am 22.12. made all the difference.

Wo anfangen? Chronologisch erscheint zu banal. Er kletterte über den Zaun in der Nikolausnacht, es fühlte sich sofort richtig an. Stick with the consequences war nur eine bequeme Haltung mit einem Fünkchen Wahrheit. No we are sticking with the consequences. "Ich würde so gerne entsetzt schauen, aber ich schaffs einfach nicht" war der einzig richtige Satz, den er sagen konnte. Und auf einmal sind alle Abwehrmechanismen zu Staub zerbröselt. Das ist größer als wir und als alle unsere Schutzschilder. Plötzlich spürt man wieder den Idealismus und die unvorsichtige unverfälschte Haltung dem anderen gegenüber, die einfach nur beieinander sein will und Pläne schmieden und von der Zukunft in goldenen Farben träumen, scheißegal wie ungolden die Vergangenheit manchmal geworden ist. Denn jetzt ist alles anders.

23.4.09

grilling beats nachtdienst 7:0

ich hab keinen bock mehr.

es hätte alles ganz gut sein können: zu dritt auf der station, ich die mittlere, durfte regelmäßig in den OP und ab und zu auch mal was selber machen. dann ein anruf im nachtdienstfrei vom jüngeren kollegen: du musst jetzt ganz stark sein. ich bin auf unbestimmte zeit vom chef in unser lehrkrankenhaus versetzt worden. ab morgen.

ergebnis: so gut wie gar keine zeit mehr im op. dafür briefe, telefonieren, visite, telefonieren, aufnahmen, telefonieren - und gern auch mal den sünden- und prellbock spielen. dann die schlaue idee von unserer stationsleitung, in einer besprechung mit dem chef zu erklären, dass die stationsärzte schwer zu erreichen sind. statt der schlussfolgerung, dass das am abgezogenen kollegen liegen könnte, kommt die ermahnung über den oberarzt zu uns. die pflege hatte das kein einziges mal mit uns vorher besprochen.

zwei dinge erschöpfen und frustrieren mich unterm strich, und sie könnten sich sogar gegenseitig aufheben: 1. die unfreiheit, in dienstpläne gepresst arbeit zu erledigen, die einfach auf einen zurollt, und bei deren einteilung man kaum ein wort mitzureden hat (man hat drei aufklärungen in der hand und kriegt einen anruf, dass man überraschend einen kollegen im op ablösen soll); und 2. das gefühl, gar keine chance zu haben, die arbeit adäquat zu erledigen, sondern permanent nur zu triagieren. wäre eines verbessert, könnte man das andere leicht in kauf nehmen.

bei derzeit 7-8 diensten pro monat ist die station an ca. 10 wochentagen nur von einer person besetzt, dann geht es nur noch um damage control. die anderen tage sind besser, wenn auch keine op-tage mehr. ich kann also nur unter zurückstellung fast aller meiner wünsche an den beruf (operieren lernen, zeit fü patientengespräche, sorgfältige briefe) geschweige denn private wünsche (volleyball, grillen, urlaub, ist ja klar!) die arbeit, die mir automatisch aufgebürdet wird, gut machen, und das auch nur, wenn ich nicht alleine auf station bin oder sehr wenig arbeit anfällt

letztendlich geht alles nur darum, ob ein guter deal dabei rausspringt: das ist für jeden etwas anderes, aber was ertragen wird, muss irgendwann aufgewogen werden mit geld, ausbildung, spass oder schierer befriedigung über die eigene arbeit.

31.1.09

i crack under pressure

mir ist aufgefallen, dass meine posts zunehmend sarkastischer bzw. sogar verbittert werden. das macht mir angst. schon im pj hatte ich für die auslandstertiale ein blog eingerichtet und war zu der zeit gottweiß nicht gerade unbeschwert. trotzdem hatte ich viel mehr dinge über meine außenwelt zu berichten, und die posts klangen und klingen immer noch wenn auch nicht überhappy dann immerhin entspannt.
das scheine ich verloren zu haben - was sagt das über mein leben aus? bin ich überhaupt glücklich?

ich fühle mich zunehmend als versager. vordergründig betrachtet hat mir die intensivstation einen knacks verpasst, und eigentlich hatte ich zunächst auf imc und jetzt auf normalstation das gefühl, das überwunden zu haben. trotzdem fühl ich mich wie ein loser. und das liegt an zwei dingen:
1. keinen partner, mit dem ich pläne schmieden kann (nein, ich meine nicht die kitschige traumhochzeit sondern so banale dingen wie: wer fährt mit mir auf die galapagos-inseln und schwelgt noch in 10 jahren in den erinnerungen?)
2. keine ahnung von der forschung

die 7 (!) nachtdienste in drei wochen und die 6 in den folgenden zwei tun ihr übriges.

ich weiß nicht warum ich mich immer wieder in solchen situationen wiederfinde: sobald ich etwas alleine nicht schaffe (forschung), bin ich mehr als hilflos, eher gelähmt. schau ich mir meinen lebenslauf an, hab ich schon vieles hingekriegt, und immer im wesentlichen alleine. es scheint sich eingebleut zu haben: es ist meine schuld, wenn ich etwas nicht hinkriege, ich habe keinen anspruch auf hilfe. und das verstärkt versagensängste, verleidet mir die ganze thematik und führt dazu, dass ich mich mit dem thema noch weniger auseinandersezten will. und auf diese weise kann man den nobelpreis nicht gewinnen. ähnlich gings mir mit der doktorarbeit. ich bin schlecht im hilfe suchen und annehmen, was dazu führt, dass man mir vermutlich auch nicht gerne hilft, da ich meine seltsamen gefühle in solchen situationen auf den potentiellen helfer übertrage.



vor einigen tagen hab ich dem chef assistiert. der hat gesagt er sei enttäuscht, dass er noch keine papers von mir gesehen hat. darauf hab ich geantwortet, ich weiß. er meinte dann, ich hätte wohl eine drittgradige schreibschwäche. ich habe gefragt, wieviele grade es denn gebe. er antwortete: vier. die mit der viertgradigen schreibschwäche verteilen pakete bei der post.

14.10.08

ich bin:- ich suche:-

Seit zwei Tagen nun auf der IMC - ich verstehe noch nicht, was die ICU-Zeit so schwierig gemacht hat. Bin gespannt, ob ich im Rückblick irgendwann alles viel klarer sehen kann. Hoffentlich lautet das Fazit dann nicht "Selbstüberschätzung".
Ich will wieder in den OP!

18.7.08

tatütata

Ich habe schon 10 NEF-Fahrten gesammelt diese Woche! Nachdem ich den Kurs vorletzte Woche gemacht habe (ich hatte völlig vergessen, wie anstrengend stillsitzen und zuhören den ganzen Tag ist), sammle ich jetzt Einsätze, um den Notarztschein zu machen. Und es macht unglaublich Spaß! OK, es ist tatsächlich peinlich, das zuzugeben, aber es kickt total! Naja, zu dieser spezielen Art Voyeurismus und Wichtigtuerei später mehr...

Vorgestern hatte ich einen Traum: Habe meine befreundeten Kollegen abends zufällig getroffen, allerdings waren diese darüber nicht besonders erfreut und wollten mich eher loswerden. Also bin ich gegangen und hab mir noch ein Stück Kuchen zum Trost mitgenommen... wie erbärmlich! Kollegen sollten vielleicht einfach nicht enge Freunde werden.