26.9.06

Kann ich das schriftlich haben?!?

Also, hatte ja per email an den leitenden Oberarzt eine Art Vorstellungsgespräch ergattert. Und so ist es dann gelaufen:
Letzten Mittwoch gegen 9.30h ("Kommense vorbei, wir werden schon Zeit für Sie finden") hab ich mich auf dem Chefsekretariat gemeldet, um mit dem leitenden Oberarzt zu sprechen. Die Sekretärinnen haben ein bißchen versucht, mich abzuwimmeln ("Der Professor L. ist aber grade im OP und Stellen haben wir sowieso gar keine"), aber nach kurzer Wartezeit hat er mich dann in sein Büro gebeten, und was folgte war eigentlich schon ein richtiges Bewerbungsgespräch. Zuerst hat er einen Schrank aufgemacht, um meine Unterlagen heraus zu suchen -aus einem ca. 50 cm hohen Stapel von Bewerbungen! Der Mut sank...
Aber das Gespräch war zusammengefasst kurz und angenehm. Der Herr Prof. L. verkörpert nämlich den spritzig-witzigen Chirurgen-Typus, und auch das äußerliche Erscheinungsbild verleugnet nicht den Beruf: Groß, sportlich, die altbekannten Birkenstock-Clogs in weiß, dazu stilecht und kochfest die weißen Arztsocken unter der ebenfalls weißen und kochfesten Krankenhaus-Hochwasser-Hose (seit der Assistentenzeit in derselben Größe bei der Wäscherei geordert, auch wenn die körpernahe Passform heute etwas strammer sitzt...). Ach ja, da fehlte noch was: Und ein Polohemd! Haaach, es kam mir einfach so bekannt vor, fühlte mich gleich wohl.
Er hat mich zunächst mal gefragt, warum ich nicht in (hier einsetzen: Stadt, in der ich studiert habe mit bekannter chirurgischer Abteilung) bleibe? Ich habe erklärt, dass bei uns der Schwerpunkt eher auf der Krebschirurgie liegt, mich aber mehr die TRANSPLANTATIONSCHIRURGIE interessiert, in diesem Bereich habe ich auch meine Doktorarbeit gemacht und daher gefalle mir das Forschungsprofil an seiner Klinik besser. Forschungsprofil, das Wort hat ihn herausgefordert, da hat er gefragt "So, was forschen wir denn hier so??" Zum Glück hatte ich mich natürlich schlau gemacht vorher und so hab ihm zwei Forschungsgruppen aufgezählt, die mich interessieren würden. Dann kam die Frage "Und Sie wollen Chirurgin werden? In diesem Fach ist die Arbeitsbelastung ja sehr groß. Haben Sie sich das gut überlegt?" Aber klar, hab ich! Ich habe schließlich nur chirurgische Famulaturen gemacht (= Pflichtpraktika, bei denen man sich das Fach frei wählen kann), war in Amerika und London für mein Praktisches Jahr, und schließlich, hab ich meinen letzten Trumpf eingeleitet, hätte ich ja seit meiner Geburt gesehen, wie der Alltag aussieht, da mein Vater selber Chirurg ist. Das schien ihn zufrieden zu stellen, und danach hat er unaufgefordert über die Frauenfreundlichkeit der Abteilung erzählt.
Dann das nächste Klischee: Sein Telefon klingelt, er: "Habt ihrs schon draußen? Alles? OK, ich komme", legt auf und meint: "Ich muss wieder in den OP". So kennt man das.
Er hat mir dann noch erklärt, dass zur Zeit ein Stellenstopp herrscht und dafür gesorgt, dass ich am nächsten Tag den Chef sprechen konnte. Sein Abschlusssatz war: "Initiativvorstellungen sind manchmal gar nicht schlecht. Hab ich auch mal gemacht vor 20 Jahren und bin immer noch hier...!"
Am Tag danach, nach etwas längerer Wartezeit von 1 3/4 h, habe ich mich dann dem Chefarzt vorgestellt. Der war so ganz der Typ netter ehrwürdiger älterer Chef, das Gespräch war ebenfalls sehr angenehm, eingeleitet vo Prof. N. mit der Aussage: "Der Prof. L. hat Sie gestern ja schon quasi eingestellt" - Was hatte das zu bedeuten? Ich dachte, es gäbe einen Stellenstopp? Oder war das nur ein Scherz? Ein Mißverständnis? Ich war verwirrt. Weiter gings mit weitgehend den selben Fragen wie am Tag zuvor. Warum bleiben Sie nicht in (hier einsetzen: Stadt, in der ich studiert habe mit bekannter chirurgischer Abteilung)? Warum zu uns? Kennen Sie die Arbeitsbelastung, sind Sie bereit, die zu ertragen? Was können Sie manuell schon? Was haben Sie in der Doktorarbeit gemacht? Dabei waren aber alle diese Fragen in ein nettes Gespräch eingebaut. Dann kam wieder die Erklärung, bei Frauen seien sie in dieser Abteilung "nicht zimperlich", die würden durchaus gerne eingestellt.
Schließlich eine Frage, die mich etwas aus der Bahn geworfen hat: "Was hat denn der Prof. L. gestern gesagt, ab wann können wir Sie einstellen?" War das ein mündliches Angebot?? Ich hab darauf gesagt, dass er von einem Stellenstopp gesprochen hätte, aber der Chef meinte dann, dass vor Ende des Jahres sicher eine Stelle drin wäre. ??? . Bin dann ganz perplex aus dem Büro gegangen, auch heute weiß ich nicht, was ich darüber denken soll. Es klang alles sehr sehr gut, aber kann ich mir davon was kaufen? So geht das Warten wieder weiter...

14.9.06

Einmal, im Operationssaal,... #1

Einmal, im Operationssaal,
es war gerade einer dieser ruhigen Phasen in einer sowieso planmäßig laufenden Routine-OP in der Gynäkologie und alle waren still, relaxt und konzentriert bei Arbeit, das einzige Geräusch kam von den Monitoren und Beatmungsgeräte. Bis auf einmal das Diensttelefon des Anästhesisten klingelte; die Operateure (und der Hakendepp = PJlerin = ich) schauten auf, ein metaphorisches Fragezeichen im Gesicht, die Melodie kannte doch irgenwie jeder, war das nicht, mitten in die Stille hinein, doch es war... die Titelmelodie der Schwarzwaldklinik als Klingelton. Großes Kino!

Frechheit siegt

Nächste Woche habe ich ein Bewerbungsgespräch an einer der Kliniken, denen ich meine Bewerbung geschickt habe! Oder zumindest so etwas ähnliches wie ein Bewerbungsgespräch...
Zwei Wochen nach Abschicken der Unterlagen habe ich im Sekretariat dort angerufen, und mir wurde gesagt, die Bewerbung sei an den leitenden Oberarzt weitergegeben worden, es gäbe von ihm noch kein Feedback, aber ich könne ihm jederzeit gerne eine email schicken. Ich dachte mir, dass ich so ein Angebot doch auf jeden Fall irgendwie wahrnehmen müßte, nur hatte ich eigentlich gar nichts weiteres zu schreiben, als das, was sowieso in meinen Unterlagen stand. Also hab ich kurzerhand kreativ einen fiktiven Aufenthalt in der Stadt erwähnt, und dass ich mich ihm bei dieser Gelegenheit gerne persönlich vorstellen würde. Und: Es hat geklappt! Antwort war: Kommse vorbei, wir werden schon Zeit finden.

Uiuiui, bin schon sehr gespannt. Fast mein ganzes Umfeld bewirbt sich gerade, macht das Studium fertig oder hat gerade mit dem Arbeiten angefangen, und bei manchen läuft es alles andere als gut. Wo ist er denn, der Ärztemangel, von dem man schon so viel gehört hat? Aber andere hatten auch das berühmte "ein Schuss, ein Treffer"-Glück. Hängt stark vom Ort und Fach ab: Gynäkologe oder Kinderarzt in Heidelberg werden wollen = mehr Glück im Samstags-Lotto; Psychiater oder Hausarzt in Neuruppin = den Kranken werden Tränen der Dankbarkeit in den Augen stehen. Ich persönlich liege irgendwo dazwischen. Glaub ich.
Spannende Zeiten.

4.9.06

Was bisher geschah...

31.08.06:
Eine Woche nach Abschicken der ersten drei Bewerbungen hab ich heute einen Brief von einer der Kliniken erhalten:
"...danke für Ihre interessante Bewerbung... leider zur Zeit alle Stellen besetzt... würden Ihre Unterlagen gern bis zur Besetzung der nächsten Stelle behalten..."
Hmmm - es ist ja grundsätzlich alles mal besser als eine Absage. Hatte nur gehofft, dass an großen Abteilungen immer irgendeine Stelle mittelfristig zu vergeben wäre. Ich habe außerdem gehört, dass der Chefarzt dort demnächst bald pensioniert wird, vielleicht auch deswegen vorerst keine Einstellungen mehr? Oder ist das eine völlig abwegige Erklärung?? Und wann geht der denn genau?
So vergehen die Tage mit schlechtem Wetter, Warten und Spekulieren. Mein PJ (Praktisches Jahr, das letzte Jahr des Medizinstudiums in Deutschland) war im März zu Ende, so langsam bräuchte ich mal wieder ein bisschen action in meinem Leben. Nur jeden Tag mit Ach und Krach und leider nur halber Motivation ein paar Zeilen der Doktorarbeit hinzuzufügen ist keine ausfüllende Tagesbeschäftigung. Ich hätte mich vielleicht doch früher bewerben sollen... hätte, wäre, wenn, man muss es nehmen, wie es kommt, und vieles ist wohl tatsächlich einfach nur Zufall.


24.08.06:
Nach einem Telefongespräch mit meiner besten Freundin, die sich gerade für Gynäkologie-Stellen bewirbt, und nachdem ähnliche Gedanken schon länger in meinem Kopf gekreist sind, haben sie und ich uns für die Zukunft die Gründung einer Art Deutschen Gesellschaft für Frauen in operativen Fächern vorgenommen (Voreilig, wie meinen?). Ich hatte zwar schon öfter im Internet nach ähnliche Organisationen gesucht, weil ich einfach nicht glauben konnte, dass so etwas wie ein Chirurginnenbund o.ä. nicht schon existiert. Tut es aber für Deutschland nicht.Man kann Einrichtungen wie die Association of Women Surgeons oder Women in Surgical Training von Deutschland aus nur bewundern und ihre Mitglieder beneiden (und natürlich internationales Mitglied werden!).Tja, und da habe ich heute den Begriff "frauen in operativen fächern" gegooglet, und was das Suchmaschinchen ausgespuckt hat, kann pessimistischeren Naturen durchaus als symptomatisch gelten:Es gab einen einzigen Treffer. Rechts stand eine Google-Anzeige, die offenbar anspringt, sobald man "frauen" eingibt:
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Jetzt zum Treffer: Er verwies auf das online-Forum des Deutschen Ärzteblatts, genauer gesagt auf eine alte Diskussion von 2002, gestartet von einem männlichen Oberarzt in der Chirurgie, der spontan schilderte, dass ihm unter anderem an Frauen in der Chirurgie nicht passt, dass sie ihm vorwerfen, sie dürften bestimmte Sachen bei ihm nicht operieren, bloß weil sie Frauen seien; er redet in seiner unendlichen Unbegabtheit über "Mäuschen" und "Mannsweiber" und schließt mit den Worten

"Wie man es macht, macht man es falsch. Einfacher geht das ohne Frauen in operativen Fächern! "

Der Rest der Diskussion wurde im Stil eines Forums von pubertierenden Bullies geführt, die sich gegenseitig über Tippfehler des anderen mokierten.
Frustration, Desolidarisierung, Feindseligkeit, Unfähigkeit und am schlimmsten Dummheit, soweit man schauen konnte. Nicht vergessen, das sind nicht einfach nur irgendwelche Menschen in Deutschland, was ja schon schlimm genug wäre, nein, das sind die lieben zukünftigen Kollegen oder gar Vorgesetzten!
Manchmal kann man tatsächlich nicht so viel fressen, wie man kotzen möchte.