31.12.06

"I can't do this aaaall on my own...

...I'm no superman!"
Gestern mein erster Nachtdienst, ein Wochenenddienst, d. h. 26 h. Und es hat Spaß gemacht! Ich hatte natürlich auch Glück, denn ich habe unglaubliche 6 h am Stück geschlafen. Und ich trage zwei Haupterkenntnisse davon:

1. Die meisten nächtlichen Probleme auf den Stationen eines chirurgischen Krankenhauses sind internistischer Natur!
Ich habe erwartet Nachblutungen zu sehen, dramatische Anrufe in den OP zu tätigen "ich habe hier einen Notfall, macht die Bude klar, wir kommen rauf!!!", in der Ambulanz Kopfplatzwunden oder Messerstiche (naja, das nicht wirklich) im Minutentakt zu nähen. Stattdessen musste ich bei stationären Patienten zwei Herzinfarkte diagnostizieren, eine Tachykardie bei Vorhofflimmern behandeln, einmal Atemnot eruieren und eine Katheterinfektion abwenden. Und ob ich dabei alles richtig gemacht habe, kann ich selbst jetzt nicht einmal sagen. Hätte ich nur in Innere ein bißchen besser aufgepasst...

2. ...dann würde meine Selbstkritik vielleicht nicht ganz so harsch ausfallen:

6 Jahre Medizinstudium bedeuten nicht, dass ich weiß, was ich tue, wenn ich vor einem Patienten stehe! An alle Patienten: War nur ein Scherz (*hüstel*).

26.12.06

Drei Festtage und ein Todesfall

So anders wie dieses Jahr war Weihnachten noch nie. Jeden Tag um neun in der Klinik zur Visite antreten, danach (so zwischen zwei und vier nachmittags) zu meinen Eltern fahren, sich den Bauch vollschlagen, schlafen, nochmal Bauch vollschlagen, schlafen und morgens um sieben aufstehen und wieder ins Krankenhaus fahren. Aber es hat mir komischerweise gar nicht so viel ausgemacht. In der Klinik war die Stimmung ziemlich locker, nicht so viel Arbeit zu tun, nicht so viele Patienten, war ganz schön, den Arbeitsplatz mal so zu erleben. Und da meine Familie nicht so weit weg wohnt und ich pendeln konnte, hatte ich ja doch noch was von Weihnachten.
Allerdings ist gestern nacht der erste Patient gestorben, seit ich auf der Station bin. Er hatte vor ca. 10 Tagen eine schwere Operation und war schon 79 Jahre alt, wollte aber unbedingt nach Hause für Weihnachten. Da er einen super Eindruck gemacht hat, haben wir ihn dann auch gehen lassen. Zwei Tage später kam er mit mittelmäßigen Bauchschmerzen zurück und lag morgens einfach tot in seinem Bett. Ich bin echt sprachlos. Bei solchen und tausend anderen täglichen Situationen bemerke ich schmerzhaft meine mangelnde Erfahrung. Die Ratlosigkeit ist nämlich das schlimmste, wenn man nicht einschätzen kann, ob man alle Kleinigkeiten richtig gemacht hat, oder ob so etwas wie das Schicksal sich hier einfach nicht abwenden ließ. Tja, das wird wohl noch ein paar Jahre dauern, bis sich das bessert.

Zitat der Woche:

Mann einer Patientin, an deren Bett (scherzhaft!): "Sagen Sie mir aber, wann meine Frau heimdarf, damit ich meine Freundin wegschicken kann!"
Patientin: "Aber putzen muss sie!"

23.12.06

Freshman

Freitag, Tag eins: 7h, Privatstation. Doch keine Vorstellung in der großen Runde, danach Visite, Chef nicht da, alles erst mal gut soweit. Und natürlich wie erwartet die Ansage, am Anfang sollte ich doch einfach jeden Tag kommen... um halb sieben, als die Oberarzt-Visite (OA) rum war und ebendieser in den OP musste, weil er an dem Tag Dienst hatte, der Anruf von ihm: ob ich ihm noch eine Stunde meine Hände leihen könnte? Für eine explorative Laparotomie, bei der er nicht erwartete, etwas operables zu finden. Daheim, in meiner Haus-WG brutzelte wohl schon die Gans im Ofen, für unser jährliches Gans-Essen mit einer Runde Freunde. Aber eine Stunde (auch zwei, denn man verdoppelt besser gleich immer die angegebene Zeit) wäre schon noch ok. Wurden dann aber 3, denn die Patientin hat doch eine Hemikolektomie rechts mit vorübergehender Stomaanlage (künstlicher Darmausgang) bekommen. Daheim: 22h, Gans: nicht mehr viel übrig...

Sa, So: Mit auf Visite, am So war dann die erste Visite mit dem Chef, vorher hatte ich ihn gar nicht zu Gesicht bekommen. Hat gar nicht weh getan!

Mo: Nunmehr schon mit einiger Routine in der Morgenbesprechung, als auf einmal Worte an meine schlafverschleierten Ohren dringen, die mir schlagartig den Blutdruck in die Höhe treiben: "...möchte ich noch eine neue Kollegin vorstellen..." Die Vorstellung hatte ich schon komplett vergessen. Abends dann nochmal Visite mit dem Chef, der mich angrinst und sagt "die müssen wir noch ganz zart behandeln!" Stimmt! Ich hab nämlich natürlich keinen blassen Schimmer. Das fühlt sich meistens nicht so gut an. Daheim um sechs! Juhuu, habs sogar ins Volleyballtraining geschafft!

Do: erster Tag ohne einen der zwei anderen Stationsärzte. Die wechseln sich nämlich ab, einer macht die Weihnachts-, der andere die Silvesterwoche (nur ich stehe durchgehend auf dem Plan). Und dieser Tag war die reinste Katastrophe: Der andere Stationsarzt musste die Privatsprechstunde machen und hatte ab vier Bereitschaftsdienst für die Notfälle, OA nicht in Sicht, auf Station befanden sich also: Ich und zwei PJler, die einen Tag zuvor angefangen hatten. So nahm das Desaster seinen Lauf. Abends will der Chef Visite machen, der andere Stationsarzt im OP für einen Notfall, der OA meint noch "bin mal gespannt, wie das gehen soll, hab heute keinen einzigen von unseren Patienten gesehen" und mir tritt der Angstschweiß auf die Stirn. Wir haben ca. 25 Patienten, davon sind mehrere auf andere Stationen verteilt, liegen mit nicht-Privatpatienten im Zimmer, die wir dann auch kennen müssen, denn der Chef kann ja nicht in ein Zimmer gehen, Frau Müller die Operation erklären und Frau Meier links liegen lassen! Nur, ich finde es sowieso schwer, alle Einzelheiten von so vielen Patienten auf einmal im Kopf zu haben, geschweige denn, ich habe sie gar nicht selbst aufgenommen und sie liegen nicht mal auf meiner Station! Also, völlige Ahnungslosigkeit, zum Glück hat mir das anscheinend niemand persönlich angelastet, dafür hat alles der (abwesende) Stationsarzt abgekriegt. Und der Chef: souverän. Hat niemals seine schlechte Laune an den Patienten ausgelassen, sich gleich viel Zeit genommen wie immer, und am Ende nur noch verzweifelt lachend den Kopf geschüttelt und den Rest der Visite dem Oberarzt aufs Auge gedrückt. Also, mit eingezogenem Kopf überstanden. Oder ist meine Personalakte doch schon auf dem Weg in den Schredder?! Daheim: 22h, Moral: 0,00

Fr, Sa: Die Wogen sind geglättet, macht soweit wieder Spaß. Morgen (und übermorgen und überübermorgen) muss ich zwar arbeiten, aber meine Eltern wohnen nicht sehr weit weg, so kann ich heim fahren und von dort aus zur Visite kommen. Ich glaub, ich will doch bleiben. Nachdem am Desaster-Donnerstag schon Träume vom Aussteigertum auf den Kykladen vor meinem inneren Auge vorübergezogen sind.

14.12.06

Countdown

Was man alles bedenken muss, wenn man erwachsen wird, und was man alles organisieren muss, um arbeiten zu können:
- Berufsunfähigkeitsversicherung?
- welche Krankenkasse? Und wie funktioniert dieses System denn eigentlich grob?
- Berufshaftpflicht? Wie bin ich über meinen Arbeitgeber versichert?
- Privathaftpflicht? (Meine Eltern leben ihr ganzes Leben ohne)
- Hausrat? Nee!
- Sparen?
- dem ärztlichen Versorgungswerk beitreten
- Lohnsteuerkarte
- Führungszeugnis
- Personalbogen ausfüllen
- Einfahrtgenehmigung für Klinikgelände
- Dienstausweis ausstellen lassen
- Termin beim Betriebsarzt
- ...

Also, hab jetzt fast alles davon schon erledigt oder in die Wege geleitet und warte auf morgen früh. Heute habe ich im Sekretariat noch einmal nachgefragt, wann ich morgen da sein soll etc., und mir wurde erklärt, um 7.20h im Direktionssekretariat auftauchen, "...dann nehmen die Herren Sie mit in die Morgenbesprechung, da werden Sie dann vorgestellt!" Äh - vorgestellt?!!? Die Morgenbesprechung funktioniert so: Die ganze Mannschaft vom PJ-Studenten bis zum Chef, so ca. 100 Leute, sitzen im großen Hörsaal und hören, was der Nachtdienst so zu berichten hat. Und da stehe ich dann vorne. Ich dachte, ich setze mich wie immer in die letzte Bank, höre zu und störe möglichst nicht. Na prost.