Freitag, Tag eins: 7h, Privatstation. Doch keine Vorstellung in der großen Runde, danach Visite, Chef nicht da, alles erst mal gut soweit. Und natürlich wie erwartet die Ansage, am Anfang sollte ich doch einfach jeden Tag kommen... um halb sieben, als die Oberarzt-Visite (OA) rum war und ebendieser in den OP musste, weil er an dem Tag Dienst hatte, der Anruf von ihm: ob ich ihm noch eine Stunde meine Hände leihen könnte? Für eine explorative Laparotomie, bei der er nicht erwartete, etwas operables zu finden. Daheim, in meiner Haus-WG brutzelte wohl schon die Gans im Ofen, für unser jährliches Gans-Essen mit einer Runde Freunde. Aber eine Stunde (auch zwei, denn man verdoppelt besser gleich immer die angegebene Zeit) wäre schon noch ok. Wurden dann aber 3, denn die Patientin hat doch eine Hemikolektomie rechts mit vorübergehender Stomaanlage (künstlicher Darmausgang) bekommen. Daheim: 22h, Gans: nicht mehr viel übrig...
Sa, So: Mit auf Visite, am So war dann die erste Visite mit dem Chef, vorher hatte ich ihn gar nicht zu Gesicht bekommen. Hat gar nicht weh getan!
Mo: Nunmehr schon mit einiger Routine in der Morgenbesprechung, als auf einmal Worte an meine schlafverschleierten Ohren dringen, die mir schlagartig den Blutdruck in die Höhe treiben: "...möchte ich noch eine neue Kollegin vorstellen..." Die Vorstellung hatte ich schon komplett vergessen. Abends dann nochmal Visite mit dem Chef, der mich angrinst und sagt "die müssen wir noch ganz zart behandeln!" Stimmt! Ich hab nämlich natürlich keinen blassen Schimmer. Das fühlt sich meistens nicht so gut an. Daheim um sechs! Juhuu, habs sogar ins Volleyballtraining geschafft!
Do: erster Tag ohne einen der zwei anderen Stationsärzte. Die wechseln sich nämlich ab, einer macht die Weihnachts-, der andere die Silvesterwoche (nur ich stehe durchgehend auf dem Plan). Und dieser Tag war die reinste Katastrophe: Der andere Stationsarzt musste die Privatsprechstunde machen und hatte ab vier Bereitschaftsdienst für die Notfälle, OA nicht in Sicht, auf Station befanden sich also: Ich und zwei PJler, die einen Tag zuvor angefangen hatten. So nahm das Desaster seinen Lauf. Abends will der Chef Visite machen, der andere Stationsarzt im OP für einen Notfall, der OA meint noch "bin mal gespannt, wie das gehen soll, hab heute keinen einzigen von unseren Patienten gesehen" und mir tritt der Angstschweiß auf die Stirn. Wir haben ca. 25 Patienten, davon sind mehrere auf andere Stationen verteilt, liegen mit nicht-Privatpatienten im Zimmer, die wir dann auch kennen müssen, denn der Chef kann ja nicht in ein Zimmer gehen, Frau Müller die Operation erklären und Frau Meier links liegen lassen! Nur, ich finde es sowieso schwer, alle Einzelheiten von so vielen Patienten auf einmal im Kopf zu haben, geschweige denn, ich habe sie gar nicht selbst aufgenommen und sie liegen nicht mal auf meiner Station! Also, völlige Ahnungslosigkeit, zum Glück hat mir das anscheinend niemand persönlich angelastet, dafür hat alles der (abwesende) Stationsarzt abgekriegt. Und der Chef: souverän. Hat niemals seine schlechte Laune an den Patienten ausgelassen, sich gleich viel Zeit genommen wie immer, und am Ende nur noch verzweifelt lachend den Kopf geschüttelt und den Rest der Visite dem Oberarzt aufs Auge gedrückt. Also, mit eingezogenem Kopf überstanden. Oder ist meine Personalakte doch schon auf dem Weg in den Schredder?! Daheim: 22h, Moral: 0,00
Fr, Sa: Die Wogen sind geglättet, macht soweit wieder Spaß. Morgen (und übermorgen und überübermorgen) muss ich zwar arbeiten, aber meine Eltern wohnen nicht sehr weit weg, so kann ich heim fahren und von dort aus zur Visite kommen. Ich glaub, ich will doch bleiben. Nachdem am Desaster-Donnerstag schon Träume vom Aussteigertum auf den Kykladen vor meinem inneren Auge vorübergezogen sind.