29.1.07

q. e. d.

Heute mit dem Chef auf Visite auf der Intesivstation. Einer der Anästhesisten grinst mich spöttisch an, während wir beide im Hintergrund des Visitentrosses den Diskussionen der Chefs untereinander lauschen, und fragt:

"Und? Macht's noch Spaß?!?"
Ich: "Ja!"
Zum Grinsen kommen noch zwei hochgezogene Augenbrauen
"Ich frag dich in zwei Monaten noch mal, mal sehen, was Du dann sagst...!"

Genau das habe ich gemeint. Naja. Egal.

28.1.07

The Girl with the Golden Weekend

Ein freies Wochenende liegt hinter mir!

Als ich für mein PJ in den USA war, gab es für alle Ärzte und Studenten in einem Team pro Monat 4 Tage frei, von denen aber höchstens zwei am Stück genommen werden durften. Das war dann das sogenannte "Golden Weekend" as in "when are you taking your golden weekend off?". Ich weiß noch genau, wie krass ich das fand und wie es mich geärgert hat, dass man derartig nur lebt, um zu arbeiten, statt umgekehrt, und wie ich alle dort als komplett neurotisch abgeschrieben habe. Und jetzt habe ich meine Meinung geändert. Es macht mir momentan gar nichts aus, meine nahezu gesamte Zeit am Arbeitsplatz zu verbringen. Und hätte ich dieses Wochenende nicht frei gehabt (das erste Wochenende immerhin seit 15.12.), es hätte mich auch nicht besonders gestört. So konnte ich heute Volleyball spielen gehen, das war natürlich schon gut. Mir ist klar, dass man am Anfang noch Reserven hat, aber ich wundere mich trotzdem über so einige Dinge in diesem Zusammenhang:
1. Ich habe trotz ca. 80 Arbeitsstunden pro Woche in meiner eher spärlichen Freizeit mehr Energie für andere Dinge, als ich während eines halben Jahres slacken zwischen Examen und Arbeit je hatte. Zum Beispiel, wenn ich es schaffe, mal Sport zu machen, lauf ich beim Joggen weiter und springe beim Volleyball höher als vorher. Im Moment fühlt es sich tatsächlich so an, als wäre ich die letzten 27 Jahre nicht ausgelastet gewesen, oder zumindest fehlbelastet.
2. Ich habe im Gespräch mit anderen ständig das Gefühl, mich rechtfertigen zu müssen, dass ich Spaß daran habe, so viel zu arbeiten. Wie z.B. weiter oben "...mir ist klar, dass man am Anfang noch Reserven hat...". Das sage ich mit der Idee im Hinterjopf, dass sich irgendwann das Blatt wenden könnte, ich auf dem Zahnfleisch krieche, und dann manche Leute zufrieden grinsen und sagen "siehste, so ist es nämlich, und ich habs gewusst". Also versuch ich herunterzuspielen, dass ichs geil finde, so gefordert zu werden, an meine Grenzen zu gehen und jeden Tag Unmengen neues zu lernen. Aber warum ist das so?
Mein neues Lieblingswort (nachdem mein Wort des Jahres 2006 "Ambivalenz" war) ist "Unbeirrbarkeit". Ganz gut zu gebrauchen bei Dialogen wie diesem:
Oberarzt: "Und willst Du denn bei der Bauchchirurgie bleiben?"
Ich: "Plastische und Herzchirurgie finde ich auch interessant, aber Bäuche finde ich einfach besser"
OA: "Weil, das maskulinisiert ja schon häufig"
Ich "...??? Äh, ich bin da ganz zuversichtlich...???"

11.1.07

That's all

Hat jemand "The devil wears Prada" gesehen? Angehende Journalistin bewirbt sich unbedarft bei der "Vogue" in New York als Assistentin der Chefin, es klappt tatsächlich, obwohl sie von Mode eigentlich soviel versteht wie eine Kuh vom Tanzen. Von da ab ist sie quasi ausgeliefert, kriegt aber natürlich die Kurve zur doch-noch-passablen-bis-grandiosen-Mitarbeiterin, usw usf... Neulich gab es so einen Moment auf Chefvisite, da zoomte eine "The devil wears Prada"-Vision vor meinem inneren Auge vorbei. Genauer gesagt gibt es in dem Film eine Szene, in der der Verlag zu einer hochkarätigen Feier einlädt, für die die Assistentinnen vorher ordnerweise Fotos mit Namen und Funktionen auswendig lernen müssen, um dann beim Empfang hinter der Chefin zu stehen, und ihr die Infos über das jeweilige Gegenüber ins Ohr zu flüstern:




Eben genau wie auf Chefvisite, nur geht es dabei um "Frau Meier 3. postop-Tag nach Hemikolektomie rechts bei Kolonkarzinom Nebendiagnose Schuppenflechte der Sohn ist Friseur hat eine Goldfisch nebendran liegt Frau Müller Lebertransplantation vor 2 Wochen Operateur Doktor Schiwago Spender war ein 23jähriger Motorradfahrer der Marke Suzuki beim Linksabbiegen vom Spreewaldgurkenlaster erfasst".
Hatte gestern ein erstes richtiges Gespräch über meine wissenschaftliche Zukunft. Der Oberarzt, mit dem ich mich unterhalten habe, ist nett und ein cooler Typ. Er hat viel von "Mentoren" gesprochen, und "Pläne" und "Sie sind jetzt 27, 6 Jahre bis zum Facharzt, ich bin noch einige Jahre hier, wenn nicht, gehen Sie eben mit dorthin, wo ich hingehe, der Chef möchte, dass Sie noch klinische Studien machen, ..."
Mir hat sich kurz die Kehle zugeschnürt. Ich weiß, dass das alles richtig und vernünftig ist, was er da sagt. Aber mir fällt glaube ich erst jetzt auf, dass ich mein ganzes Leben eigentlich immer nur gemacht habe, was ich wollte. Und viel Wert darauf gelegt habe, mir alles unverbindlich und offen zu halten. Ich wußte gar nicht, dass ich so bindungsscheu bin...
Jedenfalls war das natürlich die ultimative Konfrontation à la "will ich so ein Leben?". Ich habe mich um 20h mit ihm getroffen (wir waren gerade mit der Chefvisite fertig), da saß er in seinem Büro - er macht wirklich nicht den Eindruck, als sei er ein nerd, der nur seine Arbeit kennt, aber trotzdem hat er daheim drei Kinder und eine Frau. Auf die er oft verzichten muss. Genau wie auf andere schöne Dinge. Und für was? Einen Chefarztposten in baldiger Zukunft. Ist Chefärztin sein eigentlich gut? Macht es Spaß? Woher soll ich das wissen.
Was macht mich glücklich? Einerseits will ich, was ich tue, mit Haut und Haar machen. Andererseits habe ich das Gefühl, mich verschluckt gerade ein schwarzes Loch.
So ist die Liebe und das Leben.

5.1.07

Das Betteln am Tisch...

...muss man Hunden natürlich schnellstens abgewöhnen! Und trotzdem ist es bei angehenden Chirurgen zwar auch nicht erwünscht, aber das, was einen entscheidend weiterbringen kann. Und so funktioniert's:

Erste Phase:
Der brave Assistent kennt seinen Platz! Daher wird er/sie auch in Phase eins genau machen, was das Chefchen erwartet. Saugen, Haken halten, apportieren, alles mit einem Lächeln im Gesicht. Wenn man besonders gut ist, kommt vielleicht dann schon die Belohnung. Wenn man aber die Aufmerksamkeit nicht genug auf sich gezogen hat, folgt die

Zweite Phase:
Der Dackelblick ist ein probates Mittel, um beim Leitrüden doch noch Aufmerksamkeit und einen Anführerreflex auszulösen! Also im entscheidenden Moment (wenn der Leckerbissen, auf den man es abgesehen hat, als nächstes in der Menüfolge kommt, und der Rudelführer noch überlegt, wie er ihn angeht) dem Gegenüber mit besagtem vertrauensvollen und unterwürfigen, gleichzeitig zuversichtlich fragenden Dackelblick in die Augen schauen (direkt!). Bei Erfolg spürt man in diesem Moment den Groschen fallen und das Herz schmelzen, und schon ist wieder was vom Tisch abgefallen für den Underdog. Oder man geht über zur

Dritten Phase:
Das letzte Mittel: Jaulen! Aber Vorsicht, kann zu aggressiven Affekten des Anführeres führen. Wenn erfolgreich, wird man nur gegen Widerwillen einen viel kleineren Happen erhalten, als einen satt machen würde. Und in der Hierarchie ist man eher wieder eine Stufe runtergerutscht...

Tabu:
Beißen! Gefährliche und illoyale Underdogs werden eingeschläfert.


Jedenfalls hab ich heute meinen ersten Punkt für den OP-Katalog gesammelt: Ich durfte während einer Lebersegmentresektion die Gallenblase entfernen!
Zuerst war ich etwas angepisst, für die OP eingeteilt zu sein, der Patient war nicht mal von unserer Station und ich hatte echt viel Arbeit, das ganze hat dann auch 5 h gedauert. Ich war zweite Assistenz, und der Operateur hat den ersten Assistenten angeschaut und gefragt "Willst Du die Gallenblase rausmachen?" Worauf dieser entgegnete: "Das macht die Kollegin, oder?!!" Und so schnell wars dann passiert, dass völlig unverhofft was vom Tisch für mich abgefallen ist. Und es hat Spaß gemacht! Überhaupt führe ich derzeit zwar ein anstrengendes Leben, aber eines, das mir Spaß macht! Später dazu mehr...