31.8.07

gerade noch davon gekommen

Heute saß ich also auf meinem Büßerbänkchen für meinen ersten MoMo-Auftritt. Aber - mein Patient stand auf gar keinem Zettel! Alle Stationsärzte müssen jede Woche einen Zettel mit den Komplikationen ihrer Station ausfüllen, und dieser Patient wurde wohl einfach vergessen. Ich hätte mich natürlich schon dem Tribunal gestellt, aber ich gebe zu, dass ich doch ganz schön erleichtert war, dass es nicht zur Sprache kam. Ich feiger Hund!

27.8.07

Don't shit where you eat

Die Liebe am Arbeitsplatz ist kompliziert, verhängnisvoll und stetig lockend.

(habe gerade einen Carrie-Bradshaw-Moment, glaube ich...)

Wieauchimmer, mein Desillusionierungsgrad in Sachen mit-Männern-Spaß-haben nimmt einfach ständig zu, und keine Besserung in Sicht! Da gibt es einen Kollegen aus einer eng benachbarten Abteilung, mit dem ich mich sehr gut verstehe. Vielleicht wäre er mir gar nicht so aufgefallen, wenn er mich nicht manchmal so angeschaut oder mir Schokolade geschenkt hätte(ok, mich mit Schokolade um den Finger wickeln ist so einfach wie Fische aus einem Bottich zu angeln!). Aber so ist er mir eben angenehm aufgefallen, und ein kleiner crush, vor allem endlich mal ein harmloser! normaler! unkomplizierter! kam mir auch gerade gelegen. So haben wir also gescherzt, uns Geschichten erzählt, wann immer wir uns bei der Arbeit - rein zufällig natürlich, ähem - getroffen haben. Tja, story of my life, habe wohl zuviel hineininterpretiert. Er hat nämlich eine Freundin. Der Schlag vor den Bug bei dieser Art Geschichten ist nicht der Verlust von etwas, das ja gar nicht existiert hat, und auch nicht die tatsächliche Zurückweisung (ich konnte zum Glück den Impuls, ihn nach einer Freundin zu fragen, unterdrücken und es selbst herausfinden. Gesagt hat er nämlich nix.), sondern dass je länger ich nicht in einer Beziehung bin mir das Gefühl abhanden kommt, solche zwischenmenschlichen Verhältnisse einschätzen zu können.
Z.B. bei ihm hätte ich aufgrund seines Verhaltens und der Schwingungen, die ich aufgefangen habe, Geld darauf verwettet, dass er einfach ein netter witziger Typ ist, der Interesse an mir hat. Ganz einfach, boy meets girl, eine Millionen Jahre alte Geschichte. Der keine Freundin hat. Hat er jetzt aber wohl doch. Ich verstehe das alles nicht mehr, Männer Frauen Paare Pläne. Je länger alleine desto ungeübter im Austausch, desto hungriger, desto egozentrischer, desto verwirrender.
Hilfe!

26.8.07

MoMo und die grauen Männer

Ich habe meinen ersten MoMo-Konferenz-Eintrag geschafft! Für alle Nichteingeweihten: MoMo steht für Morbidität und Mortalität und bedeutet, dass man sich in der Gladiatoren-Arena des Hörsaals vor der versammelten Mannschaft für seine Komplikationen rechtfertigen muss. Nicht unähnlich dem wohlbekannten mittelalterlichen Pranger. Und das kommt davon, wenn Bäuche, die man zugenäht hat, wieder aufplatzen. So geschehen bei dem letzten Patienten, den ich operiert habe. Am letzten Freitag, der eigentlich ein schon genügend unerfreulicher Tag gewesen wäre, ruft mich ein Kollegenfreund in die Ambulanz, ich solle mir mal was anschauen, einen Platzbauch, den ich operiert hätte. Als ich dann da stand und mir den Patienten anschaute, konnte ich mich nur mühsam zurückhalten, hemmungslos loszuheulen. Es war einfach alles zuviel: ich war seit zwei Tagen horromäßig erkältet, musste trotzdem 14 h-Tage runterreißen, weil mein Kollege noch und seit 2 Wochen im Urlaub ist, und dann liegt da dieser arme Mann, der nur deswegen nochmal unters Messer muss, weil ich zu dämlich bin, einen Bauch zuzunähen. Und der Spott der Kollegen war natürlich auch gratis inkludiert, übrigens auch noch die nächsten 2 Tage. Es war nämlich auch noch eine Mini-Lap, gerade mal 10 cm lang.
Was ich daraus gelernt habe: Gerade bei diesem Bauch hatte ich das Gefühl, dass es irgendwie nicht richtig gemacht war; wir haben eine Schlinge statt Einzelknöpfe genommen, die Narkose hat nicht gepasst, so dass der Patient zwischendrin gepresst hat, er ist dick und hat chronischen Reizhusten. Diese Kombi hat die Faszie dann nicht gepackt. Das nächste Mal folge ich meinem Instinkt und bin konsequent, statt die Augen zu schließen und zu hoffen, dass es alles schon irgendwie gut geht. Mein Oberarzt hatte Dienst, und hat meine Fehler wieder repariert; ich bin sehr sehr dankbar, dass er und auch andere einem in solchen Momenten (die hoffentlich trotzdem nie nie nie wieder vorkommen...) den Rücken stärken und Verständnis zeigen. Es hat wahrscheinlich echt jeder in dem Beruf so etwas erlebt; diese Solidarität und Unterstützung ist etwas ungewohntes für mich, und sie fühlt sich sehr gut an.

Eines meiner letzten Highlights dagegen war die 86jährige, die ich für eine laparoskopische Cholezystektomie aufklären durfte. Ich hab ihr mit einer Abbildung gezeigt, wie so etwas funktioniert, mit einer Kamera in den Bauch zu schauen, und dann mit klitzekleinen Instrumenten drin zu operieren - daraufhin hat sie mich angestrahlt, den Kopf geschüttelt und gesagt: "Hach! Die Welt ist voller Wunder!"

4.8.07

ball and chain

Die letzten 3 Jahre ungefähr wusste ich mit meiner freien Zeit nichts anzufangen. Ich gebe ungern zu, dass ich einen Großteil davon damit verbracht habe, an meinem Schreibtisch Löcher in die Luft zu starren. Seit einer Woche ist das anders, und ich kann nicht genau sagen warum, aber es fällt zeitlich zusammen mit der Abgabe meiner ersten Fassung der Dissertation. Ich wache auf an einem Tag (wie heute) und mache Pläne - und führe sie, teilweise zumindest, aus! Auf einmal fühlt es sich an, als hätte ich viel mehr Energie zur Verfügung. Rational betrachtet ist das natürlich nicht zu verstehen: Die Netto-Zeit, die ich für das Schreiben meiner Diss aufgewendet habe, betrug vielleicht 1% meiner Freizeit, da wäre ja noch genügend übrig, um andere Dinge zu eledigen. Tja, aber jetzt bin ich diese psychologische Fußfessel, dieses materialisierte schlechte Gewissen erst mal los. Und daher werde ich heute: ein paper schreiben, mein Zimmer saugen, schwimmen und bräunen gehen und dabei ein gutes Buch lesen (wobei, "In Cold Blood" von Capote reißt mich bisher noch nicht vom Hocker. Zu deskriptiv.), ein neues Bett kaufen, dieses montieren, mich um meine Pflanzen kümmern, Unterwäsche kaufen, grillen (wenn das Wetter schön bleibt), einen heben und morgen ausschlafen!
Dolce far niente.