12.11.07

Don't shit where you eat II

Mannnnn, am Freitag bin ich tatsächlich mit einem Kollegen abgestürzt... Heute ist Sonntag, man darf also gespannt sein, was die Arbeitswoche so bringt. Ich bin zwar überzeugt, dass niemand uns gesehen hat, aber die Wahrnehmungsfähigkeit ist ja ab einem bestimmten Promillegrad schon in Richtung sehbehindert herabgesetzt -

Ach, außerdem war ich in Südamerika im Urlaub, ich habe meine korrigierte Doktorarbeit zurückbekommen und mein Oberarzt hat gekündigt! Dazu später mehr...

31.8.07

gerade noch davon gekommen

Heute saß ich also auf meinem Büßerbänkchen für meinen ersten MoMo-Auftritt. Aber - mein Patient stand auf gar keinem Zettel! Alle Stationsärzte müssen jede Woche einen Zettel mit den Komplikationen ihrer Station ausfüllen, und dieser Patient wurde wohl einfach vergessen. Ich hätte mich natürlich schon dem Tribunal gestellt, aber ich gebe zu, dass ich doch ganz schön erleichtert war, dass es nicht zur Sprache kam. Ich feiger Hund!

27.8.07

Don't shit where you eat

Die Liebe am Arbeitsplatz ist kompliziert, verhängnisvoll und stetig lockend.

(habe gerade einen Carrie-Bradshaw-Moment, glaube ich...)

Wieauchimmer, mein Desillusionierungsgrad in Sachen mit-Männern-Spaß-haben nimmt einfach ständig zu, und keine Besserung in Sicht! Da gibt es einen Kollegen aus einer eng benachbarten Abteilung, mit dem ich mich sehr gut verstehe. Vielleicht wäre er mir gar nicht so aufgefallen, wenn er mich nicht manchmal so angeschaut oder mir Schokolade geschenkt hätte(ok, mich mit Schokolade um den Finger wickeln ist so einfach wie Fische aus einem Bottich zu angeln!). Aber so ist er mir eben angenehm aufgefallen, und ein kleiner crush, vor allem endlich mal ein harmloser! normaler! unkomplizierter! kam mir auch gerade gelegen. So haben wir also gescherzt, uns Geschichten erzählt, wann immer wir uns bei der Arbeit - rein zufällig natürlich, ähem - getroffen haben. Tja, story of my life, habe wohl zuviel hineininterpretiert. Er hat nämlich eine Freundin. Der Schlag vor den Bug bei dieser Art Geschichten ist nicht der Verlust von etwas, das ja gar nicht existiert hat, und auch nicht die tatsächliche Zurückweisung (ich konnte zum Glück den Impuls, ihn nach einer Freundin zu fragen, unterdrücken und es selbst herausfinden. Gesagt hat er nämlich nix.), sondern dass je länger ich nicht in einer Beziehung bin mir das Gefühl abhanden kommt, solche zwischenmenschlichen Verhältnisse einschätzen zu können.
Z.B. bei ihm hätte ich aufgrund seines Verhaltens und der Schwingungen, die ich aufgefangen habe, Geld darauf verwettet, dass er einfach ein netter witziger Typ ist, der Interesse an mir hat. Ganz einfach, boy meets girl, eine Millionen Jahre alte Geschichte. Der keine Freundin hat. Hat er jetzt aber wohl doch. Ich verstehe das alles nicht mehr, Männer Frauen Paare Pläne. Je länger alleine desto ungeübter im Austausch, desto hungriger, desto egozentrischer, desto verwirrender.
Hilfe!

26.8.07

MoMo und die grauen Männer

Ich habe meinen ersten MoMo-Konferenz-Eintrag geschafft! Für alle Nichteingeweihten: MoMo steht für Morbidität und Mortalität und bedeutet, dass man sich in der Gladiatoren-Arena des Hörsaals vor der versammelten Mannschaft für seine Komplikationen rechtfertigen muss. Nicht unähnlich dem wohlbekannten mittelalterlichen Pranger. Und das kommt davon, wenn Bäuche, die man zugenäht hat, wieder aufplatzen. So geschehen bei dem letzten Patienten, den ich operiert habe. Am letzten Freitag, der eigentlich ein schon genügend unerfreulicher Tag gewesen wäre, ruft mich ein Kollegenfreund in die Ambulanz, ich solle mir mal was anschauen, einen Platzbauch, den ich operiert hätte. Als ich dann da stand und mir den Patienten anschaute, konnte ich mich nur mühsam zurückhalten, hemmungslos loszuheulen. Es war einfach alles zuviel: ich war seit zwei Tagen horromäßig erkältet, musste trotzdem 14 h-Tage runterreißen, weil mein Kollege noch und seit 2 Wochen im Urlaub ist, und dann liegt da dieser arme Mann, der nur deswegen nochmal unters Messer muss, weil ich zu dämlich bin, einen Bauch zuzunähen. Und der Spott der Kollegen war natürlich auch gratis inkludiert, übrigens auch noch die nächsten 2 Tage. Es war nämlich auch noch eine Mini-Lap, gerade mal 10 cm lang.
Was ich daraus gelernt habe: Gerade bei diesem Bauch hatte ich das Gefühl, dass es irgendwie nicht richtig gemacht war; wir haben eine Schlinge statt Einzelknöpfe genommen, die Narkose hat nicht gepasst, so dass der Patient zwischendrin gepresst hat, er ist dick und hat chronischen Reizhusten. Diese Kombi hat die Faszie dann nicht gepackt. Das nächste Mal folge ich meinem Instinkt und bin konsequent, statt die Augen zu schließen und zu hoffen, dass es alles schon irgendwie gut geht. Mein Oberarzt hatte Dienst, und hat meine Fehler wieder repariert; ich bin sehr sehr dankbar, dass er und auch andere einem in solchen Momenten (die hoffentlich trotzdem nie nie nie wieder vorkommen...) den Rücken stärken und Verständnis zeigen. Es hat wahrscheinlich echt jeder in dem Beruf so etwas erlebt; diese Solidarität und Unterstützung ist etwas ungewohntes für mich, und sie fühlt sich sehr gut an.

Eines meiner letzten Highlights dagegen war die 86jährige, die ich für eine laparoskopische Cholezystektomie aufklären durfte. Ich hab ihr mit einer Abbildung gezeigt, wie so etwas funktioniert, mit einer Kamera in den Bauch zu schauen, und dann mit klitzekleinen Instrumenten drin zu operieren - daraufhin hat sie mich angestrahlt, den Kopf geschüttelt und gesagt: "Hach! Die Welt ist voller Wunder!"

4.8.07

ball and chain

Die letzten 3 Jahre ungefähr wusste ich mit meiner freien Zeit nichts anzufangen. Ich gebe ungern zu, dass ich einen Großteil davon damit verbracht habe, an meinem Schreibtisch Löcher in die Luft zu starren. Seit einer Woche ist das anders, und ich kann nicht genau sagen warum, aber es fällt zeitlich zusammen mit der Abgabe meiner ersten Fassung der Dissertation. Ich wache auf an einem Tag (wie heute) und mache Pläne - und führe sie, teilweise zumindest, aus! Auf einmal fühlt es sich an, als hätte ich viel mehr Energie zur Verfügung. Rational betrachtet ist das natürlich nicht zu verstehen: Die Netto-Zeit, die ich für das Schreiben meiner Diss aufgewendet habe, betrug vielleicht 1% meiner Freizeit, da wäre ja noch genügend übrig, um andere Dinge zu eledigen. Tja, aber jetzt bin ich diese psychologische Fußfessel, dieses materialisierte schlechte Gewissen erst mal los. Und daher werde ich heute: ein paper schreiben, mein Zimmer saugen, schwimmen und bräunen gehen und dabei ein gutes Buch lesen (wobei, "In Cold Blood" von Capote reißt mich bisher noch nicht vom Hocker. Zu deskriptiv.), ein neues Bett kaufen, dieses montieren, mich um meine Pflanzen kümmern, Unterwäsche kaufen, grillen (wenn das Wetter schön bleibt), einen heben und morgen ausschlafen!
Dolce far niente.

29.7.07

nur die Wurst hat zwei

Plötzlich und unerwartet ist heute eine große Last von mir abgefallen, nein, das ist zu profan, ich muss ein dramatischeres Bild wählen - nach langem Leiden hat heute mein eherner Wille die mir um die Füße geschmiedeten Fesseln gesprengt und eine erste Fassung meiner ... *Trommelwirbelllllll*...

DOKTORARBEIT formerly known as "Das böse D-wort"
meinem Doktorvater zur Korrektur übergeben. Der "eherne Wille" ist zugegebenermaßen frei erfunden, aber die lange Leidensgeschichte leider nicht. In Zahlen:
2002, Mai: Beginn der allerersten Versuche zur Doktorarbeit, eine PhDlerin soll sich um eine Freundin und mich kümmern. Ich nehme mir nach Rücksprache mit meinem Betreuer, damals noch Dr. med., ein Semester frei. In diesem hab ich zwar viel Zeit, zu meinem Freund nach Österreich zu fahren und Philosophiescheine zu erwerben, im Labor tut sich kaum was.
Die restliche Geschichte hab ich nicht mehr so ganz im Kopf, ich weiß nur, dass ich mich mit der Freundin verkracht, drei Staatsexamina bestanden, drei PhDler verschlissen, zwei Mal den Themenschwerpunkt gewechselt, 6 Monate Auslandsstudium gemacht habe, die Abteilung hat einen neuen Chef bekommen und mein Betreuer ist zuerst PD und jetzt Professor geworden. Und noch mehr.
Und heute saß ich mal wieder mit nur halber Motivation, die daher kam, dass es "echt nicht mehr viel zu tun ist" (running gag in meiner WG, weil ich das schon seit einem halben Jahr sage) - und auf einmal war ich fertig! Naja, jetzt wird mein Betreuer wahrscheinlich erstmal herzhaft lachen, und dann hab ich nochmal ein halbes Jahr Arbeit, aber immerhin. Ich kann kaum glauben, dass "das böse D-Wort" nicht mehr wie ein Damoklesschwert über mir lauert, sobald ich eine freie Minute habe. Nicht dass mich das in der Vergangenheit dazu gebracht hätte, was zu schreiben, aber angenehmer ist es allemal. Bis ich dann heute meine Dienst-email gecheckt habe und gerade heute an diesem Freudentag eine mail von meinem Chef lesen muss, ob ich denn schon eine Pilotversuchsreihe gemacht hätte zu den Drainagemarkern, die er mir aufgetragen hat...?!
Es hört nie auf.

6.7.07

lies and the lying liars who tell them

Heute war wieder mal ein Marathon-Tag: 7:15h Start, 21.30h Ende.
Am Schluss endlich die Visite mit dem Oberarzt, der vorher ewig im OP stand. Wir hatten nur Zeit, zu den kritischeren Patienten zu gehen, während dessen hat sein Telefon ca. 3 mal geklingelt mit offensichtlich seiner Frau dran. Beim ersten mal hat er gemeint "20 min", was schon zu diesem Zeitpunkt Wunschdenken war. Beim zweiten mal hieß es dann "5 min", da war es nicht realistischer. Beim dritten mal hat er dann behauptet, er sei schon auf dem Weg zum Auto, während wir noch einen Patienten vor uns hatten. Das alles mit einer sehr gefassten und ehrlichen Stimme am Telefon, mit Bedauern, dass es schon wieder so spät wird.
Wie soll man jemandem, der nicht annähernd einen ähnlichen Job hat, begreiflich machen, dass es so ist, wie es ist? Wie kann von jemandem erwarten, das zu verstehen? Und was kann man anderes tun, als es schönzulügen am Telefon, um den anderen nicht noch mehr zu enttäuschen?

Wir laufen hier echt auf Reserve im Moment, weil einer der Oberärzte Chef geworden ist, und sehr viele Leute mitgenommen hat. Mit der vielen Arbeit vergeht die Zeit so schnell, ich kann wirklich nicht glauben, dass ich schon mehr als ein halbes Jahr dabei bin.

13.6.07

...und es hat gar nicht weh getan!

Heute hatte ich meine erste OP, bei der ich wirklich echt so als erste Operateurin drauf stand! Und es hat Spaß gemacht!
Eine Ileostomarückverlagerung, eine absolut easy-peasy Sache; zumindest, wenn man es schon ein paar Mal gemacht hat... Ich hatte aber wirklich gute Anleitung und daher auch keinen Moment Angst oder anderweitiges Unwohlsein. Nach der OP habe ich dann noch den OP-Bericht diktiert und den Eintrag ins OP-Buch gemacht, und bei der Spalte "Dauer" hatte ich tatsächlich keine Ahnung, was ich eintragen musste. Mein Zeitgefühl war ziemlich ausgeschaltet gewesen anscheinend, denn ich habe dann 2.5 h eingetragen - in Wirklichkeit waren es aber nur 1h 20 min.

Ich glaube, ich mag meinen Beruf wirklich sehr.

26.5.07

Im OP, einer der leitenden Oberärzte reicht der OP-Schwester ein Stück Gewebe, damit es in die Pathologie geschickt werden kann und sagt: "Das bitte als 'endgültiger Ansetzungsrand' einschicken" Die OP-Schwester: "So klein?!" Er: "Das sagt meine Frau auch jedes mal..."

19.4.07

if you can't say anything nice...

...don't say anything at all!
Deswegen auch die langen Pausen zwischen den Posts... Im Ernst: Es fällt mir auffallend schwer, das Blog nicht als reine Müllhalde für Frust und Zweifel zu benutzen, und eigentlich verstehe ich nicht, warum. Denn die meiste Zeit während der Arbeit lache ich über Situationskomik oder reiße Witze mit Kollegen und Studenten. Es muss irgendein signifikanter unbefriedigender Zustand irgendwo lauern, der sich Bahn bricht, wenn ich den stream of consciousness loslasse, so dass tatsächlich nahezu nur negative Assoziationen dabei herauskommen. Natürlich arbeite ich viel, aber wenn ich dann mal Zeit habe, weiß ich nicht viel mit ihr anzufangen. Klingt in der Tat ziemlich ausgebrannt und depressiv.
Ich denke, dass mein Problem auch immer schon war, dass ich mich so schnell langweile. Nur - ob das Symptom oder Grundübel ist, weiß ich nicht.
Verdammt schade, den Flow von der Anfangszeit hätte ich gerne behalten. Vielleicht brauche ich auch nur maximalen Anwechslungsreichtum, um am Ball zu bleiben, und die Kunst ist dabei, zu lernen, den Überblick zu behalten. Oder ich müsste mir einfach mal selbst besser in den Hintern treten können...


Ich bin eine optimistische Welle der mitfühlenden Energie ommm

25.3.07

I am a rock

Um mich und alle vor Phrasen zu schützen wie "die Zeit vergeht soo schnell, wenn man erst mal arbeitet", hier einfach Fakten, Fakten, Fakten:
Heute, Sonntag, ohne Dienst zu haben, von 9h bis 21.45h gearbeitet. Mit dem Chef auf Visite gewesen. Dabei ein paar Böcke geschossen. Vielleicht keine 14Ender, aber schon so groß, dass sie die Wohnzimmerwand schmücken würden. Z. Bsp.: Ich: "Am Fenster liegt Frau Meier" Chef: "Guten Tag Frau Meier, ich operiere Sie morgen" Frau Meier: "Ich heiße aber Müller und bin schon operiert worden"... Die letzte Woche: Chef UND Stations-Oberarzt weg. Als Ansprechpartner drei verschiedene Oberärzte. Jeder hat andere Ideen zu identischen Problemen unserer Patienten. Bis auf Montag keinen Abend vor 20.30h zu Hause. Auf der Laborbesprechung: Jeder berichtet vom Stand seiner Forschung. Ich: "Äh, tja, ich hoffe, ich kann mich dann mal noch besser einlesen diese Woche..."

Schade nur, dass ich keine Zeit hatte, über unsere Lebertransplantation im Bett auf Intensivstation zu berichten! Das war echt spektakulär. Am Schluss befanden sich in dem Mini-Zimmer Perfusoren, Beatmung, NO-Beatmungseinheit, OP-Schwester mit drei Tischen, vier Operateure, eine Flussmesseinheit, ein Hämofilter und eine trübe Stehlampe, die am Fuß des Bettes aufgebaut war. Doch lassen wir den Operateur selbst zu Wort kommen: "Danke an alle, die nächste machen wir dann im Hof"

8.2.07

Wenn wir alle Englein wären...

Und jetzt ist er doch gestorben. Vorgestern hatte er lichtstarre weite Pupillen, ein Zeichen des Hirntodes. Es existierte eine Patientenverfügung, in der er für den Fall einer solchen Situation weitere lebensverlängernde Maßnahmen ablehnt, also wurde die Beatmung nach Rücksprache mit drei Personen, die in dieser Verfügung genannt waren, gestern abgestellt.
Auf den ersten Blick scheinen detaillierte Patientenverfügungen die absolut einwandfreie Lösung dieser "End-of-Life-decisions". Mein Problem damit ist nur, dass in solchen Fällen de facto Bestimmungen für einen Zustand getroffen werden, den keiner kennt, gerade auch der Verfügende nicht. Das heißt, ich nehme meine Meinung für einen Zustand voraus, von dem ich nicht weiß, wie er ist. Wie kann man sicher sein, dass man "so nicht leben will"? Ich denke, die ganze Diskussion geht am philosophischen Kern der Sache vorbei. Sie wird überall geführt, als gehe es dabei um Autonomie des Patienten, ergo des Individuums, aber von der anderen Seite betrachtet ist es letztlich ein Votum des Verfügenden, welchen Zustand er prinzipiell von der Gruppe der "Normalen" ausschließt. Die Gründe für diesen Ausschluss können vielfältig sein und absolut legitim, die psychologische Seite schließt dabei sicherlich eine reflektive Abwehr der eigenen Verwundbarkeit ein. Genau so legitim weil notwendig finde ich zu sagen, in unserer Gruppe der lebenden Menschen gibt es vielerlei Daseinszustände, und hier ziehen wir die Grenze, dieser Zustand ist jenseits unserer Gemeinschaft. Ich glaube, das wäre dann erst eine ehrliche Diskussion. Denn Autonomie kann es nur bei Kompetenz geben, aber Kompetenz kann es für solcherart veränderte Bewußtseins- und Daseinszustände niemals geben. Und so gesehen sind wir dann auch ganz schnell wieder bei der autoritären Medizin, denn ich glaube, dass ein Arzt, der viele dieser Situationen begleitend erlebt hat, kompetenter ist als der Patient selbst, zumal zum Zeitpunkt der Verfassung einer Patientenverfügung. Das ist ganz gut an Aussagen zu erkennen wie "Wenn ich mal im Rollstuhl sitzen müsste, würde ich nicht mehr leben wollen". Das trifft sicher zu für das "ich", das diesen Satz spricht, nämlich das mit zwei gesunden Beinen. In dem Moment, in dem jedoch die Situation bspw. einer Querschnittslähmung eingetreten ist, ist dieses "ich" ja schon ein anderes, nämlich eben das im Rollstuhl. Und die Fakten wirken wiederum rück auf das Erleben und vielleicht auf die Meinung.
Ich erkenne an, dass die Verfügung die immer noch beste Lösung dieses Problems darstellt, allerdings habe ich selbst keine, weil ich mich nicht inder Lage fühle, über diese Situationen zu urteilen. Mein Wunsch wäre nur, dass die Diskussion mehr in die Tiefe geht.
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Heute: Teambesprechung der Privatstation, Oberarzt und drei Privatassistenten. Leitender Oberarzt, grinsend, im Vorbeigehen: "Oh, die private dancers!!"
I'm your private dancer/ dancer for money/ do what you want me to do

3.2.07

Jaaa, er lebt noch...

Der Patient, der gestern reanimiert werden musste, hat die Nacht überlebt, liegt auf Intensivstation. Bin sehr gespannt, wie sich eine 1stündige Reanimation auf den Menschen auswirkt. Jeden Tag staune ich darüber, dass die Medizin manchmal doch funktioniert.

2.2.07

Oberarzt, zweiter Stationsarzt und ich biegen gerade in die Intensivstation ein, um einen unserer frisch operierten Patienten zu visitieren. Vor einer der Zimmertüren sehen wir schon den geöffneten Notfallkoffer liegen und Ärzte und Pfleger, die auf dem Boden knien. Eine Reanimation. Genauer gesagt: Unser Patient wurde reanimiert. Mein Patient, den ich aufgenommen hatte vor seiner Operation. Lag da auf dem Boden, blau im Gesicht. Leute, die Spritzen anreichen, beatmen, absaugen, auf seiner Brust rumdrücken. Zu diesem Zeitpunkt waren sie schon 10 min an der Arbeit. Nach kurzem Sich-Überblick-Verschaffen (Groß, schwer, kam gerade aus dem Bad und ist zusammengebrochen, vor vier Tagen operiert -> wahrscheinlich fulminante Lungenembolie) sind wir weitergezogen, um unsere anderen Patienten zu sehen. Sind danach zurück gekommen. Da waren die anderen immer noch am Pumpen, nach einer Stunde. Er wurde zwischenzeitlich volllysiert, und hatte danach wieder einen messbaren eigenen Blutdruck, allerdings wird er dafür wahrscheinlich mit Blutungen von seinen frischen OP-Wunden im Bauch bezahlen müssen. Ganz zu schweigen davon, dass sein Gehirn nicht mehr dasselbe sein wird.
Es ist beileibe nicht die erste Reanimation, die ich erlebt habe. Aber meine erste als Ärztin. Noch dazu bei einem Patienten, den ich vorher gekannt habe, und der nicht als Notfall eingeliefert wurde. Ganz schön schwer.

29.1.07

q. e. d.

Heute mit dem Chef auf Visite auf der Intesivstation. Einer der Anästhesisten grinst mich spöttisch an, während wir beide im Hintergrund des Visitentrosses den Diskussionen der Chefs untereinander lauschen, und fragt:

"Und? Macht's noch Spaß?!?"
Ich: "Ja!"
Zum Grinsen kommen noch zwei hochgezogene Augenbrauen
"Ich frag dich in zwei Monaten noch mal, mal sehen, was Du dann sagst...!"

Genau das habe ich gemeint. Naja. Egal.

28.1.07

The Girl with the Golden Weekend

Ein freies Wochenende liegt hinter mir!

Als ich für mein PJ in den USA war, gab es für alle Ärzte und Studenten in einem Team pro Monat 4 Tage frei, von denen aber höchstens zwei am Stück genommen werden durften. Das war dann das sogenannte "Golden Weekend" as in "when are you taking your golden weekend off?". Ich weiß noch genau, wie krass ich das fand und wie es mich geärgert hat, dass man derartig nur lebt, um zu arbeiten, statt umgekehrt, und wie ich alle dort als komplett neurotisch abgeschrieben habe. Und jetzt habe ich meine Meinung geändert. Es macht mir momentan gar nichts aus, meine nahezu gesamte Zeit am Arbeitsplatz zu verbringen. Und hätte ich dieses Wochenende nicht frei gehabt (das erste Wochenende immerhin seit 15.12.), es hätte mich auch nicht besonders gestört. So konnte ich heute Volleyball spielen gehen, das war natürlich schon gut. Mir ist klar, dass man am Anfang noch Reserven hat, aber ich wundere mich trotzdem über so einige Dinge in diesem Zusammenhang:
1. Ich habe trotz ca. 80 Arbeitsstunden pro Woche in meiner eher spärlichen Freizeit mehr Energie für andere Dinge, als ich während eines halben Jahres slacken zwischen Examen und Arbeit je hatte. Zum Beispiel, wenn ich es schaffe, mal Sport zu machen, lauf ich beim Joggen weiter und springe beim Volleyball höher als vorher. Im Moment fühlt es sich tatsächlich so an, als wäre ich die letzten 27 Jahre nicht ausgelastet gewesen, oder zumindest fehlbelastet.
2. Ich habe im Gespräch mit anderen ständig das Gefühl, mich rechtfertigen zu müssen, dass ich Spaß daran habe, so viel zu arbeiten. Wie z.B. weiter oben "...mir ist klar, dass man am Anfang noch Reserven hat...". Das sage ich mit der Idee im Hinterjopf, dass sich irgendwann das Blatt wenden könnte, ich auf dem Zahnfleisch krieche, und dann manche Leute zufrieden grinsen und sagen "siehste, so ist es nämlich, und ich habs gewusst". Also versuch ich herunterzuspielen, dass ichs geil finde, so gefordert zu werden, an meine Grenzen zu gehen und jeden Tag Unmengen neues zu lernen. Aber warum ist das so?
Mein neues Lieblingswort (nachdem mein Wort des Jahres 2006 "Ambivalenz" war) ist "Unbeirrbarkeit". Ganz gut zu gebrauchen bei Dialogen wie diesem:
Oberarzt: "Und willst Du denn bei der Bauchchirurgie bleiben?"
Ich: "Plastische und Herzchirurgie finde ich auch interessant, aber Bäuche finde ich einfach besser"
OA: "Weil, das maskulinisiert ja schon häufig"
Ich "...??? Äh, ich bin da ganz zuversichtlich...???"

11.1.07

That's all

Hat jemand "The devil wears Prada" gesehen? Angehende Journalistin bewirbt sich unbedarft bei der "Vogue" in New York als Assistentin der Chefin, es klappt tatsächlich, obwohl sie von Mode eigentlich soviel versteht wie eine Kuh vom Tanzen. Von da ab ist sie quasi ausgeliefert, kriegt aber natürlich die Kurve zur doch-noch-passablen-bis-grandiosen-Mitarbeiterin, usw usf... Neulich gab es so einen Moment auf Chefvisite, da zoomte eine "The devil wears Prada"-Vision vor meinem inneren Auge vorbei. Genauer gesagt gibt es in dem Film eine Szene, in der der Verlag zu einer hochkarätigen Feier einlädt, für die die Assistentinnen vorher ordnerweise Fotos mit Namen und Funktionen auswendig lernen müssen, um dann beim Empfang hinter der Chefin zu stehen, und ihr die Infos über das jeweilige Gegenüber ins Ohr zu flüstern:




Eben genau wie auf Chefvisite, nur geht es dabei um "Frau Meier 3. postop-Tag nach Hemikolektomie rechts bei Kolonkarzinom Nebendiagnose Schuppenflechte der Sohn ist Friseur hat eine Goldfisch nebendran liegt Frau Müller Lebertransplantation vor 2 Wochen Operateur Doktor Schiwago Spender war ein 23jähriger Motorradfahrer der Marke Suzuki beim Linksabbiegen vom Spreewaldgurkenlaster erfasst".
Hatte gestern ein erstes richtiges Gespräch über meine wissenschaftliche Zukunft. Der Oberarzt, mit dem ich mich unterhalten habe, ist nett und ein cooler Typ. Er hat viel von "Mentoren" gesprochen, und "Pläne" und "Sie sind jetzt 27, 6 Jahre bis zum Facharzt, ich bin noch einige Jahre hier, wenn nicht, gehen Sie eben mit dorthin, wo ich hingehe, der Chef möchte, dass Sie noch klinische Studien machen, ..."
Mir hat sich kurz die Kehle zugeschnürt. Ich weiß, dass das alles richtig und vernünftig ist, was er da sagt. Aber mir fällt glaube ich erst jetzt auf, dass ich mein ganzes Leben eigentlich immer nur gemacht habe, was ich wollte. Und viel Wert darauf gelegt habe, mir alles unverbindlich und offen zu halten. Ich wußte gar nicht, dass ich so bindungsscheu bin...
Jedenfalls war das natürlich die ultimative Konfrontation à la "will ich so ein Leben?". Ich habe mich um 20h mit ihm getroffen (wir waren gerade mit der Chefvisite fertig), da saß er in seinem Büro - er macht wirklich nicht den Eindruck, als sei er ein nerd, der nur seine Arbeit kennt, aber trotzdem hat er daheim drei Kinder und eine Frau. Auf die er oft verzichten muss. Genau wie auf andere schöne Dinge. Und für was? Einen Chefarztposten in baldiger Zukunft. Ist Chefärztin sein eigentlich gut? Macht es Spaß? Woher soll ich das wissen.
Was macht mich glücklich? Einerseits will ich, was ich tue, mit Haut und Haar machen. Andererseits habe ich das Gefühl, mich verschluckt gerade ein schwarzes Loch.
So ist die Liebe und das Leben.

5.1.07

Das Betteln am Tisch...

...muss man Hunden natürlich schnellstens abgewöhnen! Und trotzdem ist es bei angehenden Chirurgen zwar auch nicht erwünscht, aber das, was einen entscheidend weiterbringen kann. Und so funktioniert's:

Erste Phase:
Der brave Assistent kennt seinen Platz! Daher wird er/sie auch in Phase eins genau machen, was das Chefchen erwartet. Saugen, Haken halten, apportieren, alles mit einem Lächeln im Gesicht. Wenn man besonders gut ist, kommt vielleicht dann schon die Belohnung. Wenn man aber die Aufmerksamkeit nicht genug auf sich gezogen hat, folgt die

Zweite Phase:
Der Dackelblick ist ein probates Mittel, um beim Leitrüden doch noch Aufmerksamkeit und einen Anführerreflex auszulösen! Also im entscheidenden Moment (wenn der Leckerbissen, auf den man es abgesehen hat, als nächstes in der Menüfolge kommt, und der Rudelführer noch überlegt, wie er ihn angeht) dem Gegenüber mit besagtem vertrauensvollen und unterwürfigen, gleichzeitig zuversichtlich fragenden Dackelblick in die Augen schauen (direkt!). Bei Erfolg spürt man in diesem Moment den Groschen fallen und das Herz schmelzen, und schon ist wieder was vom Tisch abgefallen für den Underdog. Oder man geht über zur

Dritten Phase:
Das letzte Mittel: Jaulen! Aber Vorsicht, kann zu aggressiven Affekten des Anführeres führen. Wenn erfolgreich, wird man nur gegen Widerwillen einen viel kleineren Happen erhalten, als einen satt machen würde. Und in der Hierarchie ist man eher wieder eine Stufe runtergerutscht...

Tabu:
Beißen! Gefährliche und illoyale Underdogs werden eingeschläfert.


Jedenfalls hab ich heute meinen ersten Punkt für den OP-Katalog gesammelt: Ich durfte während einer Lebersegmentresektion die Gallenblase entfernen!
Zuerst war ich etwas angepisst, für die OP eingeteilt zu sein, der Patient war nicht mal von unserer Station und ich hatte echt viel Arbeit, das ganze hat dann auch 5 h gedauert. Ich war zweite Assistenz, und der Operateur hat den ersten Assistenten angeschaut und gefragt "Willst Du die Gallenblase rausmachen?" Worauf dieser entgegnete: "Das macht die Kollegin, oder?!!" Und so schnell wars dann passiert, dass völlig unverhofft was vom Tisch für mich abgefallen ist. Und es hat Spaß gemacht! Überhaupt führe ich derzeit zwar ein anstrengendes Leben, aber eines, das mir Spaß macht! Später dazu mehr...