Uffffff, das Bewerbungsgspräch an meinem Wohnort liegt hinter mir. Und es war genau wie erwartet. Im positiven wie nicht so positiven Sinn.
Eigentlich ist es sehr gut gelaufen, das vorneweg; der Chef hat mir zu Beginn gleich gesagt, er schaue sich sonst Bewerber normalerweise nicht persönlich an ("...und wir haben ja zehn mal mehr Bewerber als Stellen..."), meine Bewerbung wäre ihm aber aufgefallen, "Sie haben ja ein super Abitur" - dass mir meine Abinote nochmal was bringt, hätte ich ja auch nicht erwartet.
Außer ihm war noch eine Laborleiterin anwesend, die aus der Biologie kam und mir immer aufmunternd zugezwinkert hat, und später noch ein Oberarzt. Dann gingen die Fragen los, die Reihenfolge hat mich schon etwas irritiert:
Wie alt sind Sie? Was machen Ihre Eltern? waren die ersten. Ich habe wahrheitsgemäß geantwortet 26, Hausfrau und Gefäßchirurg. Das fand er ja ganz spannend und hat gleich gefragt:
Wie hat Sie das beeinflusst, dass Ihr Vater Chirurg ist? Das wollte er dann ganz genau wissen. Ich fand es nicht so leicht zu ahnen, was er hören wollte - also hab ich schlicht die Wahrheit gesagt, im Nachhinein kamen dabei einige etwas alberne Antworten heraus... Ich habe erzählt, dass es im Rückblick natürlich schon prägend war, einen Chirurgen zum Vater zu haben, aber dass er nie aktiv versucht hat meine Entscheidung zu beeinflussen, im Gegenteil sich demonstrativ zurückgehalten hat (aber er redet sowieso nie so viel...). Da wollte er dann aber wissen, wie ich das meine, geprägt? Darauf hab ich gesagt, dass es eher so Kleinigkeiten waren, in denen die Chirurgie einfach auf gewisse Weise präsent war, also handwerkliche Sachen zu Hause selbst machen, ich war immer die, die das Verbandszeug auf den Schulausflug mitgenommen hat, und - jetzt kommt die bescheurtste Antwort des Jahres 2006 - dass wir uns bspw. zu Fasching im OP-Klamotten verkleidet haben... TUSCH! Wie hohl! Naja, es scheint ihm aber gereicht zu haben.
Dann kam der Klassiker: Warum wollen Sie Chirurgie machen? Natürlich habe ich mir darüber vorher Gedanken gemacht, hab angefangen damit, dass mich das manuelle Arbeiten glücklich macht, das hätte ich an den Experimenten zu meiner Doktorarbeit gesehen, und außerdem gefällt mir die Teamarbeit, die in den besten Momenten intuitiv läuft, das fasziniert mich. Dann hat er mich schon unterbrochen - dabei hätte ich noch so viel an Argumenten zurecht gelegt gehabt!
Nun hat er übergeleitet zum Block "Familie und Beruf", hat erklärt sie wären das beste Krankenhaus in diesem Teil Deutschlands, dafür müssten alle was bringen, Chirurg könne man überall werden, aber hier muss in erster Linie geforscht werden, so dass Operieren die Belohnung für die Wissenschaft ist.
Dann gings ab, im Mittelpunkt stand nämlich auf einmal "Die natürliche Rolle der Frau", er hat erklärt, dass die Frauen so vor schwere Entscheidungen gestellt würden, und nach ein zwei Jahren Aussetzen für das Kind würden sie natürlich von anderen überholt. Aber trotzdem muss er Bilanz ziehen, wieviel jeder pro Jahr bringt an Veröffentlichungen, dann muss man sich vielleicht trennen, wenn für beide das Arbeitsverhältnis nicht das gewünschte ist, er fände das ja selbst ein so brutales System, aber... Habe ich schon erwähnt, dass er selbst 4 Kinder hat?
Er hat dann noch erzählt, dass sie ihre Leute ein bis zwei Jahre ins Ausland schicken fürs Forschen, in die USA, worauf ich geantwortet hab, finde ich toll, so schnell wie möglich.
Jetzt war der Oberarzt dran: Als erstes hat der mich gefragt, welche Unterschiede mir zwischen Chirurgie und Gynäkologie aufgefallen sind, in der ich ja auch drei Monate Praktikum gemacht habe? Das ist eine alte Fehde: Die Chirurgen sagen immer, die Gynäkologen können nicht operieren, mir war klar, dass er darauf hinaus wollte. Hab aber am Anfang nicht nachgegeben, sondern gesagt, dass mir Gyn viel Spass gemacht hat, dass ich da alleine für eine Woche die Station geführt habe und viel lernen konnte, dass mir aber die Beschränkung auf unterhalb der Gürtellinie (plus Brust) im Vergleich zu wenig ist. Er hat aber nochmal nachgelegt, er wollte es wirklich hören: "Und so in der OP-Technik?!" Also hab ich schließlich gemeint, dass es natürlich so etwas wie Anastomosen in der Gyn nicht gibt. Da war er zufrieden. Und hat dann gemeint, ich hätte ja eine Unmenge Hobbies, ob mir klar wäre, dass ich die nicht weiterführen kann? Ich hatte eingetragen Klavier, Literatur, TaeKwonDo, Volleyball, Bergsport.
Darauf hat wiederum der Chef angefangen, jovial zu lachen und gemeint "TKD, das ist doch so mit schlagen? Muss man da Angst vor Ihnen haben? Harhar" Alberner Kommentar.
Dann hat er noch gemeint, ich wirke so entschlossen, wie kommt das? Worauf ich mich wiederholt habe und gesagt, dass ich ja viel Gelegenheit hatte, mir das Fach anzuschauen.
Schließlich wollte er das Gespräch nach ca. einer halben Stunde abschließen, die Laborleiterin hat dann noch positiv eingeworfen, dass ich ja schon einige Publikationen hätte und mit 26 Jahren ja noch viel Zeit, etwas zu leisten *zwinker* (im Hinblick auf Familienplanung). Ich habe noch gefragt (ohne dass er mir Fragen angeboten hätte), in welche Labors im Ausland er denn konkret seine Leute schickt? Antwort: In die besten Labors in den USA! Gut gebrüllt.
Jetzt soll ich zum Hospitieren kommen, er meinte, er könne sich schon vorstellen, dass ich reinpasse.
Puuuh, mal sehen.