31.10.06

Ab in den Süden?

Eine Zusage per email aus dem Süden! Ohje, beinahe bringt mich das dann doch in Gewissenskonflikte... mein Vertrag für die Stelle in meiner Wahlheimatstadt ist nämlich noch nicht hier, de facto hab ich also gar nichts in der Hand. Und überhaupt, ich fange an zu zweifeln - ist die auf dem Papier "krassere" Klinik von zwei guten automatisch die bessere Wahl? Es verwirrt mein entscheidungsschwaches Köpfchen schon ziemlich, von welch zufälligen Gegebenheiten meine nächsten 10 Jahre abhängen sollen (10!! Dann bin ich 36! Ist da nicht schon alles vorbei!? Meine besten Jahre! Wo ist die Plastiktüte, ich fange an zu hyperventilieren!).
Naja, in Verleugnung war ich schon immer toll, alles wird gut, breathe in breathe out...
Daher lieber noch eine unglaubliche Geschichte:
In NYC hat vor einigen Jahren ein Gynäkologe seine Approbation verloren, weil er nach einem Kaiserschnitt direkt über die Naht seine Initialen eingeschnitzt hat... 8cm hoch! Zu seiner Verteidigung hat er angegeben, er fand, er habe diese Operation so gut gemacht, dass er sie signieren musste.
Seine Anwälte haben übrigens angeführt, er leide an Morbus Pick (eine Demenzerkrankung, bei der nur bzw. hauptsächlich der Frontallappen betroffen ist - der allerdings im weitesten Sinne das "anständige Verhalten" kontrolliert). Das könnte natürlich auch eine Erklärung dafür sein, dass derselbe Arzt einer anderen Patientin erzählt hat, er nähme dreimal am Tag Viagra und wichse dann unter der Dusche... Sein Kommentar: "Sie war meine Lieblingspatientin"

30.10.06

Men in Black

Was ist das: 15 junge Männer und eine junge Frau in schwarzen Anzügen in einem Krankenhaus beim Nägelkauen? Eine Bewerbungsrunde in Chirurgie!
Letzten Freitag, irgendwo im Süden Deutschlands, saß ich vormittags mit zwei netten Jungs, die ich noch vor wenigen Monaten meine Kommilitonen hätte nennen können, in einem Unikrankenhausflur, bis zwei Oberärzte mich mit den Worten "Ladies first" zum Gespräch baten. Dieses verlief sehr nett, die üblichen Fragen wurden gestellt (Warum Chirurgie? Wie stellen Sie sich die Zukunft vor?) und als ich mich erkundigte, ob denn ein Forschungsaufenthalt im Ausland möglich wäre, fingen sie beide an zu strahlen und meinten, hier in der Gegend wäre der Freizeitwert so groß, dass es eher das Problem gäbe, dass keiner weg will, aber Auslandsaufenthalte würden natürlich unterstützt. Dann gab es noch eine persönliche Führung durch das wirklich sehr schöne Krankenhaus und die Ansage, um 14.30 h, nachdem noch einige andere 3er-Runden gelaufen waren, nochmal herzukommen für eine zweite Runde mit dem Chef.
Ich finde Bewerbungsgespräche jetzt nicht gerade so toll, dass ich gerne gleich zwei an einem Tag mache - aber natürlich bin ich nachmittags nochmal angetrabt, in dieser Runde waren wir anscheinend nur noch zu viert insgesamt. Es war auch sehr interessant zu beobachten, wie unterschiedlich man mit solch eine Stresssituation umgehen kann, ganz wie in einer Prüfung. Da gab es den Schüchternen, der nicht wußte, wohin mit den Händen, aber dankbar um jede Ablenkung war, die ich als ehemaliger Klassenclown bereitwillig geliefert habe, um die Stimmung etwas zu heben. Und es gab noch jenen, der mit dem Rest, der wir an einem Tischchen saßen, am besten gar nix zu tun haben wollte, und unablässig und stumm mit gesenktem Blick hin- und hergetigert ist.
Dann saß ich dem Chef gegenüber, und der hatte so eine skeptisch-joviale Art, mich auszuquetschen und (mal wieder, gähn...) über das harte Chirurginnen-Leben zu belehren, als hätte ich gerade gesagt "Papa, ich will ein Pony, und ich hab mir das gut überlegt". Naja, im Hinterkopf hatte ich ja sowieso das quasi-Angebot aus meiner Hospitation, dementsprechend gelassen hab ich diese Mätzchen betrachtet.
Tja, und jetzt warte ich auf deren Anruf. Obwohl ich dort gar nicht anfangen möchte (der mantrartigen Indoktrination von "wir sind ja die beste Klinik, die tollste Abteilung, mit den fähigsten Leuten" während meiner Hospitation scheine ich doch erlegen zu sein...) nölt das Selbstbewusstsein im Hinterkopf "warum rufen die denn nicht an? wollen die mich vielleicht gar nicht?". Bescheuert.

25.10.06

Welcome to the Glavnoje Upravlenije Ispravitelno-trudovych Lagerej

Am Tag vier der Hospitation hat man mir nun also zu verstehen gegeben, dass ich nächste Woche mit der Zusendung eines Vertrages rechnen kann. Ich hab Schiss.
Tatsache ist, dass es sich hier um eine Adresse erster Sahne für die Ausbildung zur Chirurgin handelt. Tatsache ist auch, dass ich mich hier in den Strukturen (a.k.a. Klüngel, Intrigen und Seilschaften...) halbwegs auskenne. Aber jetzt geht's eben richtig los, und ich glaube zwar, ich weiß, auf welchen Beruf ich mich da einlasse, aber ich habe Angst, dass es sich in der Realität nur noch schmerzhaft anfühlen wird. Und wollte ich nicht eigentlich auch in eine neue, eine GROSSE Stadt?!?
Nachdem die Hospitation zwar angenehm und abwechslungsreich, aber keinesfalls der große Test war, den ich erwartet hatte, habe ich mich langsam gefragt, welchem Zweck sie wohl dient. Bis es mir wie Schuppen von den Augen gefallen ist: Die Hospitation war ab spätestens dem zweiten Tag, da hatte sich der Oberarzt, dem ich zugeteilt war, schon längst seine Meinung gebildet, nur dazu da, dass ich irgendwann sage: JA, ICH WILL!! Wann darf ich endlich anfangen?!? Sie wollten ein klares Bekenntnis hören.
Und so ähnlich habe ich das dann auch heute formuliert. Worauf der Oberarzt mit seinem Chef gesprochen, mir danach die Hand gegeben und gesagt hat: "Tschüss, nächste Woche kommt dann der Brief." Und ich brauch auch den letzten Tag der Hospitation nicht mehr zu machen.
Hmm, mir fällt gerade auf, dass ich mich nicht an eine ganz eindeutige mündliche Zusage erinnern kann... naja, insgesamt schien es mir aber schon sehr unzweideutig.
Am Freitag noch ein Bewerbungsgespräch im Süden. Aber wahrscheinlich eher schon bald Gefangene des Gulags hier.
Luft anhalten und durch.

20.10.06

(hier bitte witzige Überschrift einfügen)

Die Stätte meines letzten Bewerbungsgespräches am Mittwoch als "Das Krankenhaus der lebenden Toten" zu bezeichnen war sicherlich übertrieben. Allerdings hatte der leitende Oberarzt, der mir dort gegenüber saß, die größten Augenringe und die ungesundeste Gesichtsfarbe, die ich bei diesen oder ähnlichen Gelegenheiten je vorgefunden habe. Und er hat sehr sehr oft betont, dass die Klinik eben abgearbeitet werden muss, die Last der Klink mitgetragen werden muss, das kann man nicht mit Forschung ersetzen, aber die Forschung muss trotzdem auch gemacht werden. Außerdem gibt es im dortigen Stellenplan noch 6 Stellen, die unbesetzt sind, weil die Verwaltung sie nicht freigibt. Das muss man sich klarmachen: Das Krankenhaus ist voll mit Patienten belegt, so wie die Kapazitäten ausgerechnet wurden, nur die dazu berechnete Anzahl der Ärzte wird nicht erreicht, einfach weil die Verwaltung sagt, es ist kein Geld da. Kein Wunder sah der so aus, wie er aussah. Das Gespräch war aber insgesamt sehr nett, ich konnte danach noch mit zwei Assistenten sprechen - aber ich glaube, so richtig möchte ich dort nicht hin.


Hier kommt aber die eigentliche Verwaltungs-Anekdote, der heutige Beitrag zur Kinderlosigkeitsdebatte:

Eine Bekannte von mir, deren Vater Chefarzt in der Inneren ist (Hallo A., erkennst du dich wieder?), hat mir erzählt, dass die Verwaltung sich bei ihm beschwert hätte, er solle doch weniger Frauen einstellen, denn in seiner Abteilung seien letztes Jahr 8 Kinder geboren worden - das ginge so nicht weiter.


Und zum Abschluss noch ein kleines Schmankerl aus der Abteilung "Fettnäpfchen, die man vor allem bei Hospitationen zur Erlangung einer Stelle vermeiden sollte" :

Heute habe ich endlich mal den Chef persönlich zu Gesicht bekommen; in seinem Büro, daneben steht der leitende Oberarzt. Und das erste, was er zu mir sagt, ist: "Lassen Sie sich dann mal n neuen Kittel geben" Denn auf der Knopfleiste, auf Brusthöhe, prangte ein kleiner dunkelbrauner Fleck...

Ich weiß zwar nicht mehr, woher dieser stammt, sieht aber ganz schön nach Blut aus. Ach, würde ich doch nur öfter waschen! Oder überhaupt auf solche Erscheinungsmerkmale mehr Wert legen! Aber seht selbst: ist der denn wirklich so auffällig?

Hmmm, ok, eigentlich schon. Und die dezenten, im Original besser erkennbaren gelblichen Flecken außenrum machen es auch nicht gerade besser... Peinlich!

19.10.06

Zwei Beispiele, warum Größe doch nicht egal ist

"Die Hospitation"

Am letzten Montag war ich also, wie mit dem Adlatus des Chefs telefonisch vereinbart, zur Stelle, um in der Manege der "besten chirurgischen Abteilung in Deutschland" (Zitat...) zu zeigen, dass ich die nächste Sauerbruch bin. Oder, erst mal niemanden umzubringen. Ich glaube, das würde mich doch ziemlich schnell aus dem Bewerbungsrennen werfen.
War natürlich wie erwartet ein wenig bizarr, mich wie die letzten 5 Jahre aufs Fahrrad zu schwingen, die altbekannte Klinik zu betreten, um dann aber ganz den Profi zu geben. Dazu kommt, dass der Adlatus sich von früheren Begegnungen in meinem Gedächtnis vor allem dadurch festgesetzt hatte, dass er in der Röntgebesprechung mit dem Diensthandy anonym alle Anwesenden pausenlos angerufen hat, um aufzulegen, sobald sie rangehen, und sich dann totzulachen, wenn diese völlig entnervt waren... Der sollte mich also den ganzen Tag kritisch unter die Lupe nehmen?
Es war sehr entspannt insgesamt; Kaffee trinken, einen Tumor von der Größe eines Medizinballes aus einem Bauch holen, Kaffe trinken...
Ich mache keine Witze, er war nur unwesentlich kleiner als dieses Exemplar (ok, Anglerlatein abziehen = gut halb so groß, ABER IMMERHIN!), war eine coole OP. Der Tumor war so groß, dass ich auf eine dieser kleinen Trittstufen steigen musste, um was zu sehen. Ich meinte dazu, dass ich schon lange nicht mehr so etwas benutzen musste (anspielend auf meine nicht gerade geringe Körpergröße), worauf besagter Adlatus meinte "Naja, bei 1,82m sicher selten". Darauf ich "Das ist jetzt aber gut geschätzt", denn genau das ist meine Größe. Er: "Nein, ich habe ja die Bewerbungsunterlagen gesehen" Ich: "Da stand das aber nicht drin..." Er: "Der Chef hats aber extra reingeschrieben!" ...Schallendes Gelächter am OP-Tisch.
Ich glaub, hier fang ich an, wenn sie mir was anbieten. Die sind so peinlich wie ich selbst.

Stay tuned for Teil 2: "Das Bewerbungsgespräch in der Klinik der lebenden Toten" und einer kleinen Anekdote zum Thema "Wie Klinikverwaltungen sich einmischen"

13.10.06

Ich will Kinder, und das ist auch gut so

Heute hab ich mir im Buchladen (Ich sollte mir einen Aufkleber für mein Auto zulegen "Ich unterstütze meinen Buchhändler statt den Amazon. -Konzern". Naja, eigentlich sollte der Aufkleber lauten "Ich bin ein faule und chaotische Person und kann deshalb nicht einmal amazon.de nutzen, weil ich alles auf morgen verschiebe, bis es fast zu spät ist, und dann hoffen muss, dass der Mini-Buchladen von nebenan etwas Verwertbares führt") den Klinikleitfaden Chirurgie bestellt, denn am Montag fängt ja meine Hospitation an. Der Oberarzt, der sich wohl etwas um mich kümmern soll, hat am Telefon gemeint "...dann ziehen wir die Sache mal von der anderen Seite auf" (hoffentlich habe ich mich nicht verhört und er hat in Wirklichkeit von den "anderen Saiten" gesprochen), auf meine Nachfrage hat er dann erklärt, das bedeute "mal sich anschauen wie es wirklich ist...". Aha? Jedenfalls versuche ich mir - völlig unsystematisch im Moment - ein bisschen die Bauchraumanatomie wieder ins Gedächtnis zu rufen. Denn wenn eines sicher ist an dieser Hospitation, dann dass ich mit Anatomiefragen im OP nur so gepimpt werden werde. Tja, wie immer beim Wiederholen stellt sich die Frage: Was lernen? Alles schaffe ich natürlich nicht und das wäre dem Anlass auch nicht unbedingt angemessen. Also Schwerpunkte setzen. Dann muss man einfach aushalten, wenn man auf eine spezielle Frage absolut keine vernünftige Antwort hat. Oh, der Spott! Das Augenbrauenhochziehen!

Je mehr ich drüber nachdenke, um so mehr ärgert mich das letzte Bewerbungsgespräch. Es wurde vom Chef in genau dem machohaften patriarchalischen selbstgefälligen Ton geführt, der der Chirurgie bei vielen Medizinern ihren zweifelhaften Ruf als praktizierter Sadomasochismus unter "Metzgern mit Abitur" eingebracht hat. Schon zu Anfang, wir hatten uns alle gerade gesetzt, schaute er mich ernst an, Augenbrauen rauf, dramatisches Päuschen und sagte: "In der Chirurgie gibt's ja nicht viele Frauen...!" Darauf ich: "Aber immer mehr!" War das die richtige Antwort? Ich meine, wenn man diese Aussage von ihm zum Einstieg analysiert, was wollte er eigentlich damit sagen? Da gibt es einige, aber m.E. nicht sehr viele Optionen:

"In der Chirurgie gibt es ja nicht viele Frauen..."

1. "...und ich finde, das sollte sich schleunigst ändern!" Äh, intuitiv würde ich sagen: so hat er das ganz bestimmt nicht gemeint. Der fragende und bedeutungsschwere Tonfall, zusammen mit dem kritischen Stirnrunzeln sprechen wohl eher dagegen. Auch seine späteren Ausführungen über "die natürliche Rolle der Frau" würden doch nicht ganz so recht passen. Und schließlich hätte er dann auch ganz einfach ein schlichtes "leider" vor dem "nicht" einbauen können, vielleicht gefolgt von "wir streben daher die Erhöhung des Frauenanteils in unserer Abteilung an. Bei gleicher Eignung werden Frauen bevorzugt eingestellt" - ach nee, wart mal, das ist ja nur die offizielle Meinung der öffentlichen Arbeitgeber wie Universitäten und Krankenhäuser in ihren Stellenanzeigen.

2. "...und das sollte auch so bleiben!" Hmmm, ich möchte nicht allzu bitter sein. Aber ausschließen kann man diese Einstellung nach dem Gespräch nicht. Dennoch hat er mich ja schließlich höchstpersönlich zum Gespräch eingeladen, und ich bin eine Frau. Daher tendiere ich nach reiflicher Abwägung der verschiedenen Möglichkeiten am ehesten zu Nummer...

3. "...und das ist einfach so!" Verschiedene Indizien sprechen für eine fatalistische Einstellung zum Thema gender-mainstreaming: Einerseits enthält seine Aussage keinerlei Dynamik, er stellt einfach fest 'das ist so', weder 'früher gab es noch weniger' oder 'es gibt ja noch nicht so lange Frauen in der Chirurgie' o.ä.; außerdem ging er später ja noch auf die "natürliche Rolle der Frau" und die "harten Entscheidungen, die die Frauen treffen müssen" ein. Also nur die Frauen. Das ist eben so. Und darüber hinaus wirkte er sehr zufrieden mit seiner Abteilung und der Art, wie sie geführt wird und alle mitmachen. Warum sollte man da offen sein für neue Aspekte? Wie z.B. dass auch leistungsbereite Menschen, und unter denen gerade die schlauesten, die ihr Leben nachhaltig führen wollen, eine Familie wünschen. Und dass Männer, die sich nicht um Ihre Kinder kümmern, einfach nur suspekt sein sollten. Ganz zu schweigen von der in ihrer Polemik allerdings vertrauensunwürdigen Kinderlosigkeitsdebatte und ihren Forderungen. Jedenfalls denke ich, er wollte sagen: "unsere Regeln basieren auf einem System, das von traurigen bis skrupellosen Männern geprägt wurde, deren Kinder von opferwilligen Frauen versorgt werden, daran müssen sich alle anpassen. Und das ist auch gut so."

Hui, ich werde ja schon wieder so aggressiv. Aber was soll's, diesem alten Gaul von Chefarzt bringt man auch keine neuen Tricks mehr bei. Muss man sich eben alleine durchschlagen, um zu bekommen, was man von seinem einzigen Leben erwartet - und vielleicht wird ja doch nicht alles so heiß gegessen, wie es gekocht wird?
A propos Bitterkeit: Wollte nur darauf hinweisen, dass das kein allgemeiner Zug von mir ist. Und gerade weil ich bei den meisten Gelegenheiten erfahren habe, dass auch die Chirurgie nicht so sein muss, wie oben beschrieben, rege ich mich umso mehr auf, wenn ich mit solch einer reaktionären Haltung konfrontiert werde. Weil Chirurgie ein viel zu tolles Fach ist, um diesen Klischees zum Opfer zu fallen!




¡No pasarán!

9.10.06

cojones

Uffffff, das Bewerbungsgspräch an meinem Wohnort liegt hinter mir. Und es war genau wie erwartet. Im positiven wie nicht so positiven Sinn.
Eigentlich ist es sehr gut gelaufen, das vorneweg; der Chef hat mir zu Beginn gleich gesagt, er schaue sich sonst Bewerber normalerweise nicht persönlich an ("...und wir haben ja zehn mal mehr Bewerber als Stellen..."), meine Bewerbung wäre ihm aber aufgefallen, "Sie haben ja ein super Abitur" - dass mir meine Abinote nochmal was bringt, hätte ich ja auch nicht erwartet.
Außer ihm war noch eine Laborleiterin anwesend, die aus der Biologie kam und mir immer aufmunternd zugezwinkert hat, und später noch ein Oberarzt. Dann gingen die Fragen los, die Reihenfolge hat mich schon etwas irritiert:
Wie alt sind Sie? Was machen Ihre Eltern? waren die ersten. Ich habe wahrheitsgemäß geantwortet 26, Hausfrau und Gefäßchirurg. Das fand er ja ganz spannend und hat gleich gefragt:
Wie hat Sie das beeinflusst, dass Ihr Vater Chirurg ist? Das wollte er dann ganz genau wissen. Ich fand es nicht so leicht zu ahnen, was er hören wollte - also hab ich schlicht die Wahrheit gesagt, im Nachhinein kamen dabei einige etwas alberne Antworten heraus... Ich habe erzählt, dass es im Rückblick natürlich schon prägend war, einen Chirurgen zum Vater zu haben, aber dass er nie aktiv versucht hat meine Entscheidung zu beeinflussen, im Gegenteil sich demonstrativ zurückgehalten hat (aber er redet sowieso nie so viel...). Da wollte er dann aber wissen, wie ich das meine, geprägt? Darauf hab ich gesagt, dass es eher so Kleinigkeiten waren, in denen die Chirurgie einfach auf gewisse Weise präsent war, also handwerkliche Sachen zu Hause selbst machen, ich war immer die, die das Verbandszeug auf den Schulausflug mitgenommen hat, und - jetzt kommt die bescheurtste Antwort des Jahres 2006 - dass wir uns bspw. zu Fasching im OP-Klamotten verkleidet haben... TUSCH! Wie hohl! Naja, es scheint ihm aber gereicht zu haben.
Dann kam der Klassiker: Warum wollen Sie Chirurgie machen? Natürlich habe ich mir darüber vorher Gedanken gemacht, hab angefangen damit, dass mich das manuelle Arbeiten glücklich macht, das hätte ich an den Experimenten zu meiner Doktorarbeit gesehen, und außerdem gefällt mir die Teamarbeit, die in den besten Momenten intuitiv läuft, das fasziniert mich. Dann hat er mich schon unterbrochen - dabei hätte ich noch so viel an Argumenten zurecht gelegt gehabt!
Nun hat er übergeleitet zum Block "Familie und Beruf", hat erklärt sie wären das beste Krankenhaus in diesem Teil Deutschlands, dafür müssten alle was bringen, Chirurg könne man überall werden, aber hier muss in erster Linie geforscht werden, so dass Operieren die Belohnung für die Wissenschaft ist.
Dann gings ab, im Mittelpunkt stand nämlich auf einmal "Die natürliche Rolle der Frau", er hat erklärt, dass die Frauen so vor schwere Entscheidungen gestellt würden, und nach ein zwei Jahren Aussetzen für das Kind würden sie natürlich von anderen überholt. Aber trotzdem muss er Bilanz ziehen, wieviel jeder pro Jahr bringt an Veröffentlichungen, dann muss man sich vielleicht trennen, wenn für beide das Arbeitsverhältnis nicht das gewünschte ist, er fände das ja selbst ein so brutales System, aber... Habe ich schon erwähnt, dass er selbst 4 Kinder hat?
Er hat dann noch erzählt, dass sie ihre Leute ein bis zwei Jahre ins Ausland schicken fürs Forschen, in die USA, worauf ich geantwortet hab, finde ich toll, so schnell wie möglich.
Jetzt war der Oberarzt dran: Als erstes hat der mich gefragt, welche Unterschiede mir zwischen Chirurgie und Gynäkologie aufgefallen sind, in der ich ja auch drei Monate Praktikum gemacht habe? Das ist eine alte Fehde: Die Chirurgen sagen immer, die Gynäkologen können nicht operieren, mir war klar, dass er darauf hinaus wollte. Hab aber am Anfang nicht nachgegeben, sondern gesagt, dass mir Gyn viel Spass gemacht hat, dass ich da alleine für eine Woche die Station geführt habe und viel lernen konnte, dass mir aber die Beschränkung auf unterhalb der Gürtellinie (plus Brust) im Vergleich zu wenig ist. Er hat aber nochmal nachgelegt, er wollte es wirklich hören: "Und so in der OP-Technik?!" Also hab ich schließlich gemeint, dass es natürlich so etwas wie Anastomosen in der Gyn nicht gibt. Da war er zufrieden. Und hat dann gemeint, ich hätte ja eine Unmenge Hobbies, ob mir klar wäre, dass ich die nicht weiterführen kann? Ich hatte eingetragen Klavier, Literatur, TaeKwonDo, Volleyball, Bergsport.
Darauf hat wiederum der Chef angefangen, jovial zu lachen und gemeint "TKD, das ist doch so mit schlagen? Muss man da Angst vor Ihnen haben? Harhar" Alberner Kommentar.
Dann hat er noch gemeint, ich wirke so entschlossen, wie kommt das? Worauf ich mich wiederholt habe und gesagt, dass ich ja viel Gelegenheit hatte, mir das Fach anzuschauen.
Schließlich wollte er das Gespräch nach ca. einer halben Stunde abschließen, die Laborleiterin hat dann noch positiv eingeworfen, dass ich ja schon einige Publikationen hätte und mit 26 Jahren ja noch viel Zeit, etwas zu leisten *zwinker* (im Hinblick auf Familienplanung). Ich habe noch gefragt (ohne dass er mir Fragen angeboten hätte), in welche Labors im Ausland er denn konkret seine Leute schickt? Antwort: In die besten Labors in den USA! Gut gebrüllt.
Jetzt soll ich zum Hospitieren kommen, er meinte, er könne sich schon vorstellen, dass ich reinpasse.
Puuuh, mal sehen.

7.10.06

Wahl der Qual

Vor einer Woche habe ich vier weitere Bewerbungen abgeschickt - und die Ausbeute bisher sind bereits zwei Bewerbungsgespräche! Das erste wird nächsten Montag sein, an der Klinik, an der ich auch studiert habe. Kleiner Downer: Jeder, der mit mir dort studiert hat, sagt dazu nur mit ungläubigem Staunen "Und da willst Du wirklich hin?!??!" Tjaaa, weiß nicht? Ich finde die Vorstellung erstens schon etwas verwirrend, in derselben Klinik, in der ich schon als Studentin ratlos und durchaus auch öfters teilnahmslos bis apathisch meine Zeit verbracht und sogar vor kurzem in meiner letzten Prüfung geschwitzt habe, auf einmal als Ärztin zu arbeiten. Was, ich muss hier bleiben bis alles alles alles an Arbeit getan ist?? In den Besprechungen muss ich damit rechnen, tatsächlich angesprochen zu werden??? Wer hat meinen Studentenbonus abgeknipst? Wann ist das passiert? Und warum steht auf meinem PJ-Kittel in derselben Schrift auf einmal Assistenzärztin??
Zweitens ist der Chef ein Schleifer und die Klinik ein Moloch, sagt man sich. Außerdem kennt man nach dem Studium natürlich auch genau die Leute, denen man besser aus dem Weg geht. Die gibt es zwar überall, aber meine Regenbogenland-Illusionen über fremde Kliniken "hier sind alle sooo nett" wären in den ersten Monaten hilfreich für den "ich bin nichts ich kann nichts ich muss sofort unter meine Bettdecke"-Blues. Glaub ich.
Das andere Bewerbungsgespräch ist in einer großen Stadt in der Nähe der polnischen Grenze (got it?), in der Klinik meiner zweiten Wahl dort. Ich weiß allerdings so gut wie nichts über dieses Haus, da ich niemanden kenne, der jemals dort gearbeitet oder studiert hat. Die Lage ist gut. Ansonsten? Es wird nicht transplantiert. Schade.
Peinlich an der ganzen Sache: Schon gestern hat mir die Sekretärin auf die Mailbox gesprochen, dass sie nächste oder übernächste Woche mir einen Termin anbieten könnte. Und heute nochmal! Ich wußte auch, dass mir jemand auf die mailbox geredet hatte - ich habe allerdings heute nacht erst das Band abgehört... Zu Hause hab ich kaum Handy-Empfang, habe daher öfter mailboxnachrichten, meistens eher von der Art "*rausch...klick*" oder "haaallooo, hmmm, ruf doch mal zurück" , aber das ist natürlich die Grundregel No. 1, wenn man sich bewirbt: Für den Fall, dass irgend jemand Interesse hat, sollte man wirklich besser erreichbar sein!
Ich glaube, hier haben wir es eher mit einer klassischen Fehlleistung zu tun. In Wirklichkeit überfordern mich die anstehenden Entscheidungen nämlich völlig. Mein erstes Gespräch vor zwei Wochen wäre rein fachlich für das, was ich speziell machen möchte, die erste Adresse. Aber auch deswegen, weil ich das so haben will. Ein Gespräch an der Adresse, die ich aus wackligen Gründen zuvor zur ersten Wahl erkoren habe, alle nett, alles klappt, da kann man schlecht das Gefühl haben, eine fatale weil falsche Entscheidung getroffen zu haben. Die berühmte Qual der Wahl fängt also langsam an.
Aber vielleicht hab ich mein Telefon auch einfach nicht beachtet, weil in meiner WG ein paar Freunde wieder eingezogen sind, wir die Nächte zum Tag gemacht haben und ich morgens nicht in allerbester Verafssung war...