Ich will Kinder, und das ist auch gut so
Heute hab ich mir im Buchladen (Ich sollte mir einen Aufkleber für mein Auto zulegen "Ich unterstütze meinen Buchhändler statt den Amazon. -Konzern". Naja, eigentlich sollte der Aufkleber lauten "Ich bin ein faule und chaotische Person und kann deshalb nicht einmal amazon.de nutzen, weil ich alles auf morgen verschiebe, bis es fast zu spät ist, und dann hoffen muss, dass der Mini-Buchladen von nebenan etwas Verwertbares führt") den Klinikleitfaden Chirurgie bestellt, denn am Montag fängt ja meine Hospitation an. Der Oberarzt, der sich wohl etwas um mich kümmern soll, hat am Telefon gemeint "...dann ziehen wir die Sache mal von der anderen Seite auf" (hoffentlich habe ich mich nicht verhört und er hat in Wirklichkeit von den "anderen Saiten" gesprochen), auf meine Nachfrage hat er dann erklärt, das bedeute "mal sich anschauen wie es wirklich ist...". Aha? Jedenfalls versuche ich mir - völlig unsystematisch im Moment - ein bisschen die Bauchraumanatomie wieder ins Gedächtnis zu rufen. Denn wenn eines sicher ist an dieser Hospitation, dann dass ich mit Anatomiefragen im OP nur so gepimpt werden werde. Tja, wie immer beim Wiederholen stellt sich die Frage: Was lernen? Alles schaffe ich natürlich nicht und das wäre dem Anlass auch nicht unbedingt angemessen. Also Schwerpunkte setzen. Dann muss man einfach aushalten, wenn man auf eine spezielle Frage absolut keine vernünftige Antwort hat. Oh, der Spott! Das Augenbrauenhochziehen!
Je mehr ich drüber nachdenke, um so mehr ärgert mich das letzte Bewerbungsgespräch. Es wurde vom Chef in genau dem machohaften patriarchalischen selbstgefälligen Ton geführt, der der Chirurgie bei vielen Medizinern ihren zweifelhaften Ruf als praktizierter Sadomasochismus unter "Metzgern mit Abitur" eingebracht hat. Schon zu Anfang, wir hatten uns alle gerade gesetzt, schaute er mich ernst an, Augenbrauen rauf, dramatisches Päuschen und sagte: "In der Chirurgie gibt's ja nicht viele Frauen...!" Darauf ich: "Aber immer mehr!" War das die richtige Antwort? Ich meine, wenn man diese Aussage von ihm zum Einstieg analysiert, was wollte er eigentlich damit sagen? Da gibt es einige, aber m.E. nicht sehr viele Optionen:
"In der Chirurgie gibt es ja nicht viele Frauen..."
1. "...und ich finde, das sollte sich schleunigst ändern!" Äh, intuitiv würde ich sagen: so hat er das ganz bestimmt nicht gemeint. Der fragende und bedeutungsschwere Tonfall, zusammen mit dem kritischen Stirnrunzeln sprechen wohl eher dagegen. Auch seine späteren Ausführungen über "die natürliche Rolle der Frau" würden doch nicht ganz so recht passen. Und schließlich hätte er dann auch ganz einfach ein schlichtes "leider" vor dem "nicht" einbauen können, vielleicht gefolgt von "wir streben daher die Erhöhung des Frauenanteils in unserer Abteilung an. Bei gleicher Eignung werden Frauen bevorzugt eingestellt" - ach nee, wart mal, das ist ja nur die offizielle Meinung der öffentlichen Arbeitgeber wie Universitäten und Krankenhäuser in ihren Stellenanzeigen.
2. "...und das sollte auch so bleiben!" Hmmm, ich möchte nicht allzu bitter sein. Aber ausschließen kann man diese Einstellung nach dem Gespräch nicht. Dennoch hat er mich ja schließlich höchstpersönlich zum Gespräch eingeladen, und ich bin eine Frau. Daher tendiere ich nach reiflicher Abwägung der verschiedenen Möglichkeiten am ehesten zu Nummer...
3. "...und das ist einfach so!" Verschiedene Indizien sprechen für eine fatalistische Einstellung zum Thema gender-mainstreaming: Einerseits enthält seine Aussage keinerlei Dynamik, er stellt einfach fest 'das ist so', weder 'früher gab es noch weniger' oder 'es gibt ja noch nicht so lange Frauen in der Chirurgie' o.ä.; außerdem ging er später ja noch auf die "natürliche Rolle der Frau" und die "harten Entscheidungen, die die Frauen treffen müssen" ein. Also nur die Frauen. Das ist eben so. Und darüber hinaus wirkte er sehr zufrieden mit seiner Abteilung und der Art, wie sie geführt wird und alle mitmachen. Warum sollte man da offen sein für neue Aspekte? Wie z.B. dass auch leistungsbereite Menschen, und unter denen gerade die schlauesten, die ihr Leben nachhaltig führen wollen, eine Familie wünschen. Und dass Männer, die sich nicht um Ihre Kinder kümmern, einfach nur suspekt sein sollten. Ganz zu schweigen von der in ihrer Polemik allerdings vertrauensunwürdigen Kinderlosigkeitsdebatte und ihren Forderungen. Jedenfalls denke ich, er wollte sagen: "unsere Regeln basieren auf einem System, das von traurigen bis skrupellosen Männern geprägt wurde, deren Kinder von opferwilligen Frauen versorgt werden, daran müssen sich alle anpassen. Und das ist auch gut so."
Hui, ich werde ja schon wieder so aggressiv. Aber was soll's, diesem alten Gaul von Chefarzt bringt man auch keine neuen Tricks mehr bei. Muss man sich eben alleine durchschlagen, um zu bekommen, was man von seinem einzigen Leben erwartet - und vielleicht wird ja doch nicht alles so heiß gegessen, wie es gekocht wird?
A propos Bitterkeit: Wollte nur darauf hinweisen, dass das kein allgemeiner Zug von mir ist. Und gerade weil ich bei den meisten Gelegenheiten erfahren habe, dass auch die Chirurgie nicht so sein muss, wie oben beschrieben, rege ich mich umso mehr auf, wenn ich mit solch einer reaktionären Haltung konfrontiert werde. Weil Chirurgie ein viel zu tolles Fach ist, um diesen Klischees zum Opfer zu fallen!
Je mehr ich drüber nachdenke, um so mehr ärgert mich das letzte Bewerbungsgespräch. Es wurde vom Chef in genau dem machohaften patriarchalischen selbstgefälligen Ton geführt, der der Chirurgie bei vielen Medizinern ihren zweifelhaften Ruf als praktizierter Sadomasochismus unter "Metzgern mit Abitur" eingebracht hat. Schon zu Anfang, wir hatten uns alle gerade gesetzt, schaute er mich ernst an, Augenbrauen rauf, dramatisches Päuschen und sagte: "In der Chirurgie gibt's ja nicht viele Frauen...!" Darauf ich: "Aber immer mehr!" War das die richtige Antwort? Ich meine, wenn man diese Aussage von ihm zum Einstieg analysiert, was wollte er eigentlich damit sagen? Da gibt es einige, aber m.E. nicht sehr viele Optionen:
"In der Chirurgie gibt es ja nicht viele Frauen..."
1. "...und ich finde, das sollte sich schleunigst ändern!" Äh, intuitiv würde ich sagen: so hat er das ganz bestimmt nicht gemeint. Der fragende und bedeutungsschwere Tonfall, zusammen mit dem kritischen Stirnrunzeln sprechen wohl eher dagegen. Auch seine späteren Ausführungen über "die natürliche Rolle der Frau" würden doch nicht ganz so recht passen. Und schließlich hätte er dann auch ganz einfach ein schlichtes "leider" vor dem "nicht" einbauen können, vielleicht gefolgt von "wir streben daher die Erhöhung des Frauenanteils in unserer Abteilung an. Bei gleicher Eignung werden Frauen bevorzugt eingestellt" - ach nee, wart mal, das ist ja nur die offizielle Meinung der öffentlichen Arbeitgeber wie Universitäten und Krankenhäuser in ihren Stellenanzeigen.
2. "...und das sollte auch so bleiben!" Hmmm, ich möchte nicht allzu bitter sein. Aber ausschließen kann man diese Einstellung nach dem Gespräch nicht. Dennoch hat er mich ja schließlich höchstpersönlich zum Gespräch eingeladen, und ich bin eine Frau. Daher tendiere ich nach reiflicher Abwägung der verschiedenen Möglichkeiten am ehesten zu Nummer...
3. "...und das ist einfach so!" Verschiedene Indizien sprechen für eine fatalistische Einstellung zum Thema gender-mainstreaming: Einerseits enthält seine Aussage keinerlei Dynamik, er stellt einfach fest 'das ist so', weder 'früher gab es noch weniger' oder 'es gibt ja noch nicht so lange Frauen in der Chirurgie' o.ä.; außerdem ging er später ja noch auf die "natürliche Rolle der Frau" und die "harten Entscheidungen, die die Frauen treffen müssen" ein. Also nur die Frauen. Das ist eben so. Und darüber hinaus wirkte er sehr zufrieden mit seiner Abteilung und der Art, wie sie geführt wird und alle mitmachen. Warum sollte man da offen sein für neue Aspekte? Wie z.B. dass auch leistungsbereite Menschen, und unter denen gerade die schlauesten, die ihr Leben nachhaltig führen wollen, eine Familie wünschen. Und dass Männer, die sich nicht um Ihre Kinder kümmern, einfach nur suspekt sein sollten. Ganz zu schweigen von der in ihrer Polemik allerdings vertrauensunwürdigen Kinderlosigkeitsdebatte und ihren Forderungen. Jedenfalls denke ich, er wollte sagen: "unsere Regeln basieren auf einem System, das von traurigen bis skrupellosen Männern geprägt wurde, deren Kinder von opferwilligen Frauen versorgt werden, daran müssen sich alle anpassen. Und das ist auch gut so."
Hui, ich werde ja schon wieder so aggressiv. Aber was soll's, diesem alten Gaul von Chefarzt bringt man auch keine neuen Tricks mehr bei. Muss man sich eben alleine durchschlagen, um zu bekommen, was man von seinem einzigen Leben erwartet - und vielleicht wird ja doch nicht alles so heiß gegessen, wie es gekocht wird?
A propos Bitterkeit: Wollte nur darauf hinweisen, dass das kein allgemeiner Zug von mir ist. Und gerade weil ich bei den meisten Gelegenheiten erfahren habe, dass auch die Chirurgie nicht so sein muss, wie oben beschrieben, rege ich mich umso mehr auf, wenn ich mit solch einer reaktionären Haltung konfrontiert werde. Weil Chirurgie ein viel zu tolles Fach ist, um diesen Klischees zum Opfer zu fallen!

¡No pasarán!
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