31.12.06

"I can't do this aaaall on my own...

...I'm no superman!"
Gestern mein erster Nachtdienst, ein Wochenenddienst, d. h. 26 h. Und es hat Spaß gemacht! Ich hatte natürlich auch Glück, denn ich habe unglaubliche 6 h am Stück geschlafen. Und ich trage zwei Haupterkenntnisse davon:

1. Die meisten nächtlichen Probleme auf den Stationen eines chirurgischen Krankenhauses sind internistischer Natur!
Ich habe erwartet Nachblutungen zu sehen, dramatische Anrufe in den OP zu tätigen "ich habe hier einen Notfall, macht die Bude klar, wir kommen rauf!!!", in der Ambulanz Kopfplatzwunden oder Messerstiche (naja, das nicht wirklich) im Minutentakt zu nähen. Stattdessen musste ich bei stationären Patienten zwei Herzinfarkte diagnostizieren, eine Tachykardie bei Vorhofflimmern behandeln, einmal Atemnot eruieren und eine Katheterinfektion abwenden. Und ob ich dabei alles richtig gemacht habe, kann ich selbst jetzt nicht einmal sagen. Hätte ich nur in Innere ein bißchen besser aufgepasst...

2. ...dann würde meine Selbstkritik vielleicht nicht ganz so harsch ausfallen:

6 Jahre Medizinstudium bedeuten nicht, dass ich weiß, was ich tue, wenn ich vor einem Patienten stehe! An alle Patienten: War nur ein Scherz (*hüstel*).

26.12.06

Drei Festtage und ein Todesfall

So anders wie dieses Jahr war Weihnachten noch nie. Jeden Tag um neun in der Klinik zur Visite antreten, danach (so zwischen zwei und vier nachmittags) zu meinen Eltern fahren, sich den Bauch vollschlagen, schlafen, nochmal Bauch vollschlagen, schlafen und morgens um sieben aufstehen und wieder ins Krankenhaus fahren. Aber es hat mir komischerweise gar nicht so viel ausgemacht. In der Klinik war die Stimmung ziemlich locker, nicht so viel Arbeit zu tun, nicht so viele Patienten, war ganz schön, den Arbeitsplatz mal so zu erleben. Und da meine Familie nicht so weit weg wohnt und ich pendeln konnte, hatte ich ja doch noch was von Weihnachten.
Allerdings ist gestern nacht der erste Patient gestorben, seit ich auf der Station bin. Er hatte vor ca. 10 Tagen eine schwere Operation und war schon 79 Jahre alt, wollte aber unbedingt nach Hause für Weihnachten. Da er einen super Eindruck gemacht hat, haben wir ihn dann auch gehen lassen. Zwei Tage später kam er mit mittelmäßigen Bauchschmerzen zurück und lag morgens einfach tot in seinem Bett. Ich bin echt sprachlos. Bei solchen und tausend anderen täglichen Situationen bemerke ich schmerzhaft meine mangelnde Erfahrung. Die Ratlosigkeit ist nämlich das schlimmste, wenn man nicht einschätzen kann, ob man alle Kleinigkeiten richtig gemacht hat, oder ob so etwas wie das Schicksal sich hier einfach nicht abwenden ließ. Tja, das wird wohl noch ein paar Jahre dauern, bis sich das bessert.

Zitat der Woche:

Mann einer Patientin, an deren Bett (scherzhaft!): "Sagen Sie mir aber, wann meine Frau heimdarf, damit ich meine Freundin wegschicken kann!"
Patientin: "Aber putzen muss sie!"

23.12.06

Freshman

Freitag, Tag eins: 7h, Privatstation. Doch keine Vorstellung in der großen Runde, danach Visite, Chef nicht da, alles erst mal gut soweit. Und natürlich wie erwartet die Ansage, am Anfang sollte ich doch einfach jeden Tag kommen... um halb sieben, als die Oberarzt-Visite (OA) rum war und ebendieser in den OP musste, weil er an dem Tag Dienst hatte, der Anruf von ihm: ob ich ihm noch eine Stunde meine Hände leihen könnte? Für eine explorative Laparotomie, bei der er nicht erwartete, etwas operables zu finden. Daheim, in meiner Haus-WG brutzelte wohl schon die Gans im Ofen, für unser jährliches Gans-Essen mit einer Runde Freunde. Aber eine Stunde (auch zwei, denn man verdoppelt besser gleich immer die angegebene Zeit) wäre schon noch ok. Wurden dann aber 3, denn die Patientin hat doch eine Hemikolektomie rechts mit vorübergehender Stomaanlage (künstlicher Darmausgang) bekommen. Daheim: 22h, Gans: nicht mehr viel übrig...

Sa, So: Mit auf Visite, am So war dann die erste Visite mit dem Chef, vorher hatte ich ihn gar nicht zu Gesicht bekommen. Hat gar nicht weh getan!

Mo: Nunmehr schon mit einiger Routine in der Morgenbesprechung, als auf einmal Worte an meine schlafverschleierten Ohren dringen, die mir schlagartig den Blutdruck in die Höhe treiben: "...möchte ich noch eine neue Kollegin vorstellen..." Die Vorstellung hatte ich schon komplett vergessen. Abends dann nochmal Visite mit dem Chef, der mich angrinst und sagt "die müssen wir noch ganz zart behandeln!" Stimmt! Ich hab nämlich natürlich keinen blassen Schimmer. Das fühlt sich meistens nicht so gut an. Daheim um sechs! Juhuu, habs sogar ins Volleyballtraining geschafft!

Do: erster Tag ohne einen der zwei anderen Stationsärzte. Die wechseln sich nämlich ab, einer macht die Weihnachts-, der andere die Silvesterwoche (nur ich stehe durchgehend auf dem Plan). Und dieser Tag war die reinste Katastrophe: Der andere Stationsarzt musste die Privatsprechstunde machen und hatte ab vier Bereitschaftsdienst für die Notfälle, OA nicht in Sicht, auf Station befanden sich also: Ich und zwei PJler, die einen Tag zuvor angefangen hatten. So nahm das Desaster seinen Lauf. Abends will der Chef Visite machen, der andere Stationsarzt im OP für einen Notfall, der OA meint noch "bin mal gespannt, wie das gehen soll, hab heute keinen einzigen von unseren Patienten gesehen" und mir tritt der Angstschweiß auf die Stirn. Wir haben ca. 25 Patienten, davon sind mehrere auf andere Stationen verteilt, liegen mit nicht-Privatpatienten im Zimmer, die wir dann auch kennen müssen, denn der Chef kann ja nicht in ein Zimmer gehen, Frau Müller die Operation erklären und Frau Meier links liegen lassen! Nur, ich finde es sowieso schwer, alle Einzelheiten von so vielen Patienten auf einmal im Kopf zu haben, geschweige denn, ich habe sie gar nicht selbst aufgenommen und sie liegen nicht mal auf meiner Station! Also, völlige Ahnungslosigkeit, zum Glück hat mir das anscheinend niemand persönlich angelastet, dafür hat alles der (abwesende) Stationsarzt abgekriegt. Und der Chef: souverän. Hat niemals seine schlechte Laune an den Patienten ausgelassen, sich gleich viel Zeit genommen wie immer, und am Ende nur noch verzweifelt lachend den Kopf geschüttelt und den Rest der Visite dem Oberarzt aufs Auge gedrückt. Also, mit eingezogenem Kopf überstanden. Oder ist meine Personalakte doch schon auf dem Weg in den Schredder?! Daheim: 22h, Moral: 0,00

Fr, Sa: Die Wogen sind geglättet, macht soweit wieder Spaß. Morgen (und übermorgen und überübermorgen) muss ich zwar arbeiten, aber meine Eltern wohnen nicht sehr weit weg, so kann ich heim fahren und von dort aus zur Visite kommen. Ich glaub, ich will doch bleiben. Nachdem am Desaster-Donnerstag schon Träume vom Aussteigertum auf den Kykladen vor meinem inneren Auge vorübergezogen sind.

14.12.06

Countdown

Was man alles bedenken muss, wenn man erwachsen wird, und was man alles organisieren muss, um arbeiten zu können:
- Berufsunfähigkeitsversicherung?
- welche Krankenkasse? Und wie funktioniert dieses System denn eigentlich grob?
- Berufshaftpflicht? Wie bin ich über meinen Arbeitgeber versichert?
- Privathaftpflicht? (Meine Eltern leben ihr ganzes Leben ohne)
- Hausrat? Nee!
- Sparen?
- dem ärztlichen Versorgungswerk beitreten
- Lohnsteuerkarte
- Führungszeugnis
- Personalbogen ausfüllen
- Einfahrtgenehmigung für Klinikgelände
- Dienstausweis ausstellen lassen
- Termin beim Betriebsarzt
- ...

Also, hab jetzt fast alles davon schon erledigt oder in die Wege geleitet und warte auf morgen früh. Heute habe ich im Sekretariat noch einmal nachgefragt, wann ich morgen da sein soll etc., und mir wurde erklärt, um 7.20h im Direktionssekretariat auftauchen, "...dann nehmen die Herren Sie mit in die Morgenbesprechung, da werden Sie dann vorgestellt!" Äh - vorgestellt?!!? Die Morgenbesprechung funktioniert so: Die ganze Mannschaft vom PJ-Studenten bis zum Chef, so ca. 100 Leute, sitzen im großen Hörsaal und hören, was der Nachtdienst so zu berichten hat. Und da stehe ich dann vorne. Ich dachte, ich setze mich wie immer in die letzte Bank, höre zu und störe möglichst nicht. Na prost.

28.11.06

Eine verhängnisvolle Affäre

Liebes Tagebuch,
ich glaube, ich werde erwachsen - morgen habe ich nämlich einen Termin mit meinem Finanzberater. Den ich das letzte mal vor 6 Jahren gesehen habe. Und dessen Post ich in dieser Zeit ungeöffnet in einen Ordner seiner Firma gestopft habe. Das darf er natürlich nie erfahren! Ich werde einfach behaupten, ich hätte die ganze Zeit über an ihn und unsere gemeinsame Zukunft gedacht.
Schon vor einigen Monaten war mir klar geworden, dass es so nicht weitergehen kann, wir mussten uns unbedingt wiedersehen, auch wenn ich zuerst gehofft hatte, dass die Sache zwischen uns unauffällig im Sande verlaufen würde, ohne dass ich mich irgendwie darum kümmern müsste. Zuviel von unseren gemeinsamen Abenteuern hatte ich schon vergessen, ja, vielleicht auch verdrängt, das gebe ich zu. Es war aber oft auch ganz schön kompliziert, worüber er sich unterhalten wollte, und ehrlich gesagt interessierte mich selten, was er so zu sagen hatte. Auch seine Briefe waren fast immer vollkommen unverständlich, gespickt mit aberwitzigen Zahlen, dafür aber jedesmal mehrere Seiten lang; ich wußte nie, was er von mir wollte. Also verleugnete ich irgenwann unsere Bekanntschaft.
Doch natürlich entpuppte sich meine Unabhängigkeit von ihm als Illusion - die Vergangenheit holte mich ein, und eigentlich war mir schon immer klar gewesen, dass es irgendwann so kommen musste. Der Zeitpunkt war da, als mir mein zukünftiger Arbeitgeber einen Brief schickte, der enthielt einen Personalbogen zum ausfüllen und die Aufforderung, neben einem Führungszeugnis den Krankenkassennachweis, den Sozialversicherungsausweis oder den Nachweis über den Eintritt ins Ärzteversorgungswerk und den Nachweis über vermögenswirksame Leistungen in der Personalabteilung vorzulegen.
Meine Kehle schnürte sich zu, Schweißperlen formten sich auf meiner Oberlippe. Krankenkasse?!? Naja, meine Eltern zahlten doch immer für mich, ich weiß, das kann nicht so bleiben, aber... Und wie trete ich denn ins Ärzteversorgungswerk ein? Und warum? Und hab ich eigentlich vermögenswirksame Leistungen? Was sind die denn genau, ich kann mich nur an so einen Zeichentrickfuchs aus Schwäbisch Hall erinnern, der in meiner Kindheit diese zwischen Schwarzwaldklinik und Wetten Dass anpries?!!
Ich wußte, ich brauchte seine Hilfe, obwohl ich es hasste, ihn anzurufen. Morgen treffe ich mich mit ihm. Und ich habe so ein Gefühl, als ob das noch nicht das letzte Treffen werden wird, ach je.

19.11.06

Was ist eigentlich ein Entmüdungsbecken?



Die Tage meiner Galgenfrist, bis der Ernst des Lebens mit 27 Jahren schließlich doch beginnt, fließen gemächlich dahin. Zwischen der Lust darauf, noch möglichst viele spaßbringende Dinge unterzubringen, die ich in absehbarer Zeit nicht oder nur unter größten organisatorischen und physischen Anstrengungen erwarte tun zu können (Snowboarden, Freunde im Ausland besuchen, Parties feiern!), und dem Pflichtegefühl, stattdessen doch besser die kurze Zeit für Unangenehm-nützlich-notwendiges zu verwenden (Versicherungen abschließen, Zimmer entrümpeln, für das amerikanische Examen lernen) bin ich hin- und hergerissen - das Resultat ist meistens, dass ich wie das Kaninchen vor den immer größer werdenden Autoscheinwerfern gelähmt erstarre und mich totstelle und ergo mit der übrigen Zeit gar nichts anfange.

Aber Themenwechsel: Ich musste mich heute bei meiner sonntagfrühnachmittäglichen Katerfrühstück-Mittagessenslektüre schon wieder so sehr ärgern, dass mir fast das Schnitzel im Halse stecken blieb: In der letzten Ausgabe der Zeit, die zum Leitthema "Frauen und Macht" hat (ein Umstand, den ich nicht weiter kommentieren möchte, als dass selbstverständlich keine schlauen Antworten zu finden sind, wenn dumme Fragen gestellt werden), habe ich zum ersten Mal von einem Kommentar Franz Josef Wagners in seiner Bild-Kolumne zur Parteivorsitz-Kandidatur von Andrea Nahles gegen Müntefering gehört, der mich echt aus den Socken gehauen hat, oder, wie mein Vater zu sagen pflegt: "Ich glaub mein Schwein pfeift!" - ich zitiere:

"In Wahrheit ist ein Freundinnen-Netzwerk, arglos geboren als Entmüdungsbecken weiblicher Emotion, die Folterwerkstatt für den Mann. Zuerst trugen die Quasselstrippen kleine Siege davon. Kindersorgerecht, Vaterrecht, Frauenquote. Jetzt stürzten sie Deutschland in die größte Krise. (...) Frau Nahles ist 35, unverheiratet, Literaturwissenschaftlerin. Stellen wir uns einen ahnungslosen Mann vor, der sich in Frau Nahles verliebt. Entweder wird er von ihren Schraubstockhänden erdrückt, totgequasselt von ihren Freundinnen – oder aber er macht ein Kätzchen aus ihr."

Logisch korrekter Schluss:

"Frau Nahles braucht einen Mann."

Um gleich mal eines klar zu stellen: Wann immer ich in letzter Zeit Interviews mit Andrea Nahles gehört oder gelesen habe, ging mir ihre selbstgefällige, als "Aufmüpfigkeit" zur Schau getragene Art gewaltig auf die Nerven. Aber darum soll es hier nicht gehen. Was diese Kolumne betrifft, so stellen sich mir zwei Fragen:
1. Wie weit verbreitet ist diese Meinung, der FJW mit seinem Gekritzel stellvertretend für weniger "eloquente" Idioten als er eine Stimme gibt?
2. Wie soll ich in solch einer Gesellschaft ein gutes Leben führen?

ad 1.: Die Bild-Zeitung ist die auflagenstärkste Tageszeitung Europas und erreicht jeden Tag 11.820.000 Leser. FJW ist schon seit Januar 2001 "Chefkolumnist" bei der Bild (von ihm stammt übrigens auch die van Almsick-Schlagzeile "Franzi van Speck - als Molch holt man kein Gold!" in der B.Z.). Eine Nischenmeinung scheint er also nicht gerade abzubilden, und auch meinem zugegebenermaßen manchmal durch persönliche Frustration pessimistisch gefärbten Empfinden nach ist diese Haltung, Frauen im Vergleich zu Männern Inkompetenz aufzustempeln unfassbar weit verbreitet - wenn auch selten so ostentativ und skrupellos geäußert. Das einzig konsequente Resultat aus Unfähigkeit wäre dann natürlich Machtlosigkeit und Unterwerfung, und wenn statt dessen ein Beispiel daherkommt, das diese Klischees als bloßes Wunschdenken Kastrationsgeängstigter entlarvt, wird scharf geschossen.

ad 2.:Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die in der Lage ist, Geschlechterklischees als ebensolche zu erkennen, und danach strebt, diese weitgehend abzulegen. Ich glaube nicht, dass das bedeutet, reale Unterschiede zu verleugnen, wie der Frauenbewegung ja immer wieder vorgeworfen wird. Ich glaube einfach, dass interindividuelle Unterschiede immer entscheidender sind als große Schubladen, in die eine möglichst große Anzahl an Menschen reinpasst. Aus eigenen Ängsten nicht in der Lage zu sein, diese Individualität anzuerkennen, bedeutet, dem Menschen, meinem Gegenüber nicht gerecht zu werden. Für mich stellt diese Gerechtigkeit allerdings das ultimative Ziel im Umgang miteinander dar. Was hilft? Phrasen: Den eigenen Weg gehen, Sich nicht unterkriegen lassen; ständig daran arbeiten, nicht von den Klischees eingeholt zu werden. Die Bild Zeitung nicht lesen.


Herzlichst,
...

8.11.06

Ich bin doch nicht blöd!

Die Entscheidung ist am Montag gefallen: Ich bleibe, wo ich bin, und fange am 15.12. zu arbeiten an.
Das ganze Wochenende lang habe ich mir den Kopf zerbrochen, alle möglichen potentiellen Informanten befragt, um schließlich die Nacht auf Montag mich im Bett zu wälzen (Neiiin, vor lauter Grübeln natürlich!) und komplett gerädert aufzuwachen. Dann hab ich weitergegrübelt. Plötzlich klingelte jedoch das Telefon, und der Oberarzt, der mich während meiner Hospitation hier betreut hat, war dran, hat sich nach meinem Befinden erkundigt und dann gefragt:

"15. Dezember ?!"
Und ich: "........Ja!"

So war die Entscheidung also gefallen. Dann hat er mich allerdings gefragt, was ich diese Woche denn vorhätte, da schwante mir schon Übles. Kurz und gut, sie haben mich gefragt, ob ich mithelfen kann, einen Forschungsgelder-Antrag, der in den nächsten Tagen fertig werden musste, zu stellen. Sie hätten Personalnot dafür, und da wäre ich dem Chef gleich eingefallen, und er hat Weisung gegeben, mich zu fragen. So funktioniert das System: Der CHEF hat an mich gedacht! NATÜRLICH habe ich Zeit!! Und deshalb mach ich jetzt schon unbezahlte Überstunden, bevor ich überhaupt angefangen habe.

Jedenfalls sind die alle nett und verrückt, die ich bisher getroffen habe. Ob das der Anästhesist glauben würde, der mich während meines Gynäkologie-PJs gefragt hat, ob ich denn Gyn machen möchte später? Worauf ich wahrheitsgemäß geantwortet habe: "Nö, Chirurgie." Und er, nach einer langen fassungslosen Pause: "Ja hattest du eine schlimme Kindheit, oder was?"

5.11.06

Höher, weiter, schneller

Während ich noch mitten in den Verhandlungen mit mir selbst stecke, welche Stelle ich denn nun antreten soll, erzählt mein Mitbewohner, dass er den derzeitigen Assistenten auf der Privatstation in der Chirurgie hier (eben jene, zu der ich momentan tendiere) gestern getroffen hat. Und was der ihm erzählt hat, klingt folgendermaßen:
Seit drei Monaten keinen! einzigen! Tag! frei! Arbeitszeit pro Tag ca. 14h. Nach dem Nachtdienst normaler Arbeitstag. Am Wochenende um 8h morgens zur Visite antreten. Ergibt eine Wochenarbeitszeit von ca. 110 Stunden. Im Vertrag stehen 42. Überstundenzettel eingereicht (also mit so 60 Überstunden), Kommentar des Chefs: 20 pro Woche dürfen Sie aufschreiben. Der Rest ist gestrichen. Der Klinik geschenkt.

Warum sollte man sich das antun? Es wird einem erzählt, dass sie eben die härtesten und nur deswegen auch die besten sind. Muss man das glauben? Wer in erster Linie davon profitiert, ist derjenige, der an den Privatpatienten Geld verdient. Also der Chef. Ich glaube nicht, dass Leibeigenschaft ntowendig sein muss, um ein guter Arzt zu werden. Und vielleicht sollte man sich öfter daran erinnern, dass es darum letztendlich ja gehen sollte. Selbstverständlich sind uns auch hier die Amis wieder mal voraus:
http://www.jhintl.net/JHI/English/Doctors/Publications/IPU_Jul03_JulieFreischlag.asp
Das ist ein Interview mit der Chefin der Chirurgie an der Johns Hopkins University in Baltimore, in der sie u.a. darauf eingeht, dass ein vernünftiger "lifestyle" einen besseren Arzt macht. Ich habe sie zufällig während meines PJs schon live gesehen, in einer Podiumsdiskussion zur Arbeitszeitregelung in den USA (dort dürfen die residents nur noch 80 h pro Woche arbeiten, die Frage war, ob darunter die Ausbildung leidet...), und auch dort hat sie leidenschaftlich diese Ansicht vertreten, sowie fast die gesamte ältere Ärzteschaft. Nur die residents haben die harten Typen gegeben, die so gerne noch viel mehr arbeiten würden... Neurotisch.
Im Moment fühle ich mich, als müsste ich zwischen Pest und Cholera entscheiden.

4.11.06

Freedom of Worship

check dis out:

Zum Selbermachen auf www.churchsigngenerator.com!

3.11.06

Don't think twice, it's alright...

oh-oh! Erinnert sich jemand, dass bei meinem ersten Bewerbungsgespräch - an der zu meiner Lieblingsstelle auserkorenen Klinik! - der Chef mir eine Stelle in Aussicht gestellt hatte, es aber einen Stellenstop gab und ich im Nachhinein gar nicht mehr wusste, ob das jetzt eine unverbindliche Anmerkung war oder eine quasi-Angebot? Tja, die Sekretärin hat mir gestern auf die mailbox gesprochen, es wäre jetzt soweit, zum 1.12. brauchen sie jemanden...
Mannmann, wäre das zwei Wochen früher gekommen, hätte ich mich noch nicht so auf die Klinik an meinem derzeitigen Wohnort eingeschossen gehabt, und zwei Wochen später hätte ich wohl schon den Vertrag daheim unterschrieben gehabt und die ganze Sache wäre abgehakt. Und im Moment? Im Moment sitze ich da mit einer eigentlich schon sicheren Entscheidung, hier zu bleiben, aber ohne Vertrag bisher...
Habe ich schon erwähnt, wie entscheidungsschwach ich bin?!?
Aber, jammern hilft ja nix und es wäre auch etwas zynisch, sich über ein Zuviel an Möglichkeiten zu beschweren. Außerdem bin ich zu einer neuen Überzeugung gelangt: Es ist EGAL, wo man landet, denn solange man aktiv ist, das beste aus sich und der Situation macht, wird es einem gut ergehen. Weil es einfach immer Gestaltungsspielraum gibt, innerhalb dessen man sich sein Leben passend einrichten kann. Und nicht ganz zu Unrecht nennt meine beste Freundin das "dein amerikanisches Gewäsch", denn das habe ich während meines PJs in Amerika erst richtig deutlich festgestellt. YOU MAKE THE DIFFERENCE! YEAH!!
Also, was ich sagen möchte, ist, dass es keine "beste/richtige/optimale Wahl" geben kann, ganz speziell, wenn es sich um mehrere an sich gute Angebote handelt. Denn jede Möglichkeit enthält soviele Unwägbarkeiten, dass eine "Entscheidung" im eigentlichen Sinne gar nicht möglich ist (Überhaupt sind Entscheidungen dahingehend nur die Illusion von Ordnung im Chaos).Daher sind mutige Sprünge ins kalte Wasser gefragt mit der Zuversicht, dass es immer viel stärker auf die eigene Person ankommen wird, als auf alles andere. Und das ist doch total befreiend:
Es ist egal, wofür man sich entscheidet.
Und man ist von nichts und niemandem abhängig für das eigene Glück.

Soweit die Theorie - und was mach ich jetzt?!

31.10.06

Ab in den Süden?

Eine Zusage per email aus dem Süden! Ohje, beinahe bringt mich das dann doch in Gewissenskonflikte... mein Vertrag für die Stelle in meiner Wahlheimatstadt ist nämlich noch nicht hier, de facto hab ich also gar nichts in der Hand. Und überhaupt, ich fange an zu zweifeln - ist die auf dem Papier "krassere" Klinik von zwei guten automatisch die bessere Wahl? Es verwirrt mein entscheidungsschwaches Köpfchen schon ziemlich, von welch zufälligen Gegebenheiten meine nächsten 10 Jahre abhängen sollen (10!! Dann bin ich 36! Ist da nicht schon alles vorbei!? Meine besten Jahre! Wo ist die Plastiktüte, ich fange an zu hyperventilieren!).
Naja, in Verleugnung war ich schon immer toll, alles wird gut, breathe in breathe out...
Daher lieber noch eine unglaubliche Geschichte:
In NYC hat vor einigen Jahren ein Gynäkologe seine Approbation verloren, weil er nach einem Kaiserschnitt direkt über die Naht seine Initialen eingeschnitzt hat... 8cm hoch! Zu seiner Verteidigung hat er angegeben, er fand, er habe diese Operation so gut gemacht, dass er sie signieren musste.
Seine Anwälte haben übrigens angeführt, er leide an Morbus Pick (eine Demenzerkrankung, bei der nur bzw. hauptsächlich der Frontallappen betroffen ist - der allerdings im weitesten Sinne das "anständige Verhalten" kontrolliert). Das könnte natürlich auch eine Erklärung dafür sein, dass derselbe Arzt einer anderen Patientin erzählt hat, er nähme dreimal am Tag Viagra und wichse dann unter der Dusche... Sein Kommentar: "Sie war meine Lieblingspatientin"

30.10.06

Men in Black

Was ist das: 15 junge Männer und eine junge Frau in schwarzen Anzügen in einem Krankenhaus beim Nägelkauen? Eine Bewerbungsrunde in Chirurgie!
Letzten Freitag, irgendwo im Süden Deutschlands, saß ich vormittags mit zwei netten Jungs, die ich noch vor wenigen Monaten meine Kommilitonen hätte nennen können, in einem Unikrankenhausflur, bis zwei Oberärzte mich mit den Worten "Ladies first" zum Gespräch baten. Dieses verlief sehr nett, die üblichen Fragen wurden gestellt (Warum Chirurgie? Wie stellen Sie sich die Zukunft vor?) und als ich mich erkundigte, ob denn ein Forschungsaufenthalt im Ausland möglich wäre, fingen sie beide an zu strahlen und meinten, hier in der Gegend wäre der Freizeitwert so groß, dass es eher das Problem gäbe, dass keiner weg will, aber Auslandsaufenthalte würden natürlich unterstützt. Dann gab es noch eine persönliche Führung durch das wirklich sehr schöne Krankenhaus und die Ansage, um 14.30 h, nachdem noch einige andere 3er-Runden gelaufen waren, nochmal herzukommen für eine zweite Runde mit dem Chef.
Ich finde Bewerbungsgespräche jetzt nicht gerade so toll, dass ich gerne gleich zwei an einem Tag mache - aber natürlich bin ich nachmittags nochmal angetrabt, in dieser Runde waren wir anscheinend nur noch zu viert insgesamt. Es war auch sehr interessant zu beobachten, wie unterschiedlich man mit solch eine Stresssituation umgehen kann, ganz wie in einer Prüfung. Da gab es den Schüchternen, der nicht wußte, wohin mit den Händen, aber dankbar um jede Ablenkung war, die ich als ehemaliger Klassenclown bereitwillig geliefert habe, um die Stimmung etwas zu heben. Und es gab noch jenen, der mit dem Rest, der wir an einem Tischchen saßen, am besten gar nix zu tun haben wollte, und unablässig und stumm mit gesenktem Blick hin- und hergetigert ist.
Dann saß ich dem Chef gegenüber, und der hatte so eine skeptisch-joviale Art, mich auszuquetschen und (mal wieder, gähn...) über das harte Chirurginnen-Leben zu belehren, als hätte ich gerade gesagt "Papa, ich will ein Pony, und ich hab mir das gut überlegt". Naja, im Hinterkopf hatte ich ja sowieso das quasi-Angebot aus meiner Hospitation, dementsprechend gelassen hab ich diese Mätzchen betrachtet.
Tja, und jetzt warte ich auf deren Anruf. Obwohl ich dort gar nicht anfangen möchte (der mantrartigen Indoktrination von "wir sind ja die beste Klinik, die tollste Abteilung, mit den fähigsten Leuten" während meiner Hospitation scheine ich doch erlegen zu sein...) nölt das Selbstbewusstsein im Hinterkopf "warum rufen die denn nicht an? wollen die mich vielleicht gar nicht?". Bescheuert.

25.10.06

Welcome to the Glavnoje Upravlenije Ispravitelno-trudovych Lagerej

Am Tag vier der Hospitation hat man mir nun also zu verstehen gegeben, dass ich nächste Woche mit der Zusendung eines Vertrages rechnen kann. Ich hab Schiss.
Tatsache ist, dass es sich hier um eine Adresse erster Sahne für die Ausbildung zur Chirurgin handelt. Tatsache ist auch, dass ich mich hier in den Strukturen (a.k.a. Klüngel, Intrigen und Seilschaften...) halbwegs auskenne. Aber jetzt geht's eben richtig los, und ich glaube zwar, ich weiß, auf welchen Beruf ich mich da einlasse, aber ich habe Angst, dass es sich in der Realität nur noch schmerzhaft anfühlen wird. Und wollte ich nicht eigentlich auch in eine neue, eine GROSSE Stadt?!?
Nachdem die Hospitation zwar angenehm und abwechslungsreich, aber keinesfalls der große Test war, den ich erwartet hatte, habe ich mich langsam gefragt, welchem Zweck sie wohl dient. Bis es mir wie Schuppen von den Augen gefallen ist: Die Hospitation war ab spätestens dem zweiten Tag, da hatte sich der Oberarzt, dem ich zugeteilt war, schon längst seine Meinung gebildet, nur dazu da, dass ich irgendwann sage: JA, ICH WILL!! Wann darf ich endlich anfangen?!? Sie wollten ein klares Bekenntnis hören.
Und so ähnlich habe ich das dann auch heute formuliert. Worauf der Oberarzt mit seinem Chef gesprochen, mir danach die Hand gegeben und gesagt hat: "Tschüss, nächste Woche kommt dann der Brief." Und ich brauch auch den letzten Tag der Hospitation nicht mehr zu machen.
Hmm, mir fällt gerade auf, dass ich mich nicht an eine ganz eindeutige mündliche Zusage erinnern kann... naja, insgesamt schien es mir aber schon sehr unzweideutig.
Am Freitag noch ein Bewerbungsgespräch im Süden. Aber wahrscheinlich eher schon bald Gefangene des Gulags hier.
Luft anhalten und durch.

20.10.06

(hier bitte witzige Überschrift einfügen)

Die Stätte meines letzten Bewerbungsgespräches am Mittwoch als "Das Krankenhaus der lebenden Toten" zu bezeichnen war sicherlich übertrieben. Allerdings hatte der leitende Oberarzt, der mir dort gegenüber saß, die größten Augenringe und die ungesundeste Gesichtsfarbe, die ich bei diesen oder ähnlichen Gelegenheiten je vorgefunden habe. Und er hat sehr sehr oft betont, dass die Klinik eben abgearbeitet werden muss, die Last der Klink mitgetragen werden muss, das kann man nicht mit Forschung ersetzen, aber die Forschung muss trotzdem auch gemacht werden. Außerdem gibt es im dortigen Stellenplan noch 6 Stellen, die unbesetzt sind, weil die Verwaltung sie nicht freigibt. Das muss man sich klarmachen: Das Krankenhaus ist voll mit Patienten belegt, so wie die Kapazitäten ausgerechnet wurden, nur die dazu berechnete Anzahl der Ärzte wird nicht erreicht, einfach weil die Verwaltung sagt, es ist kein Geld da. Kein Wunder sah der so aus, wie er aussah. Das Gespräch war aber insgesamt sehr nett, ich konnte danach noch mit zwei Assistenten sprechen - aber ich glaube, so richtig möchte ich dort nicht hin.


Hier kommt aber die eigentliche Verwaltungs-Anekdote, der heutige Beitrag zur Kinderlosigkeitsdebatte:

Eine Bekannte von mir, deren Vater Chefarzt in der Inneren ist (Hallo A., erkennst du dich wieder?), hat mir erzählt, dass die Verwaltung sich bei ihm beschwert hätte, er solle doch weniger Frauen einstellen, denn in seiner Abteilung seien letztes Jahr 8 Kinder geboren worden - das ginge so nicht weiter.


Und zum Abschluss noch ein kleines Schmankerl aus der Abteilung "Fettnäpfchen, die man vor allem bei Hospitationen zur Erlangung einer Stelle vermeiden sollte" :

Heute habe ich endlich mal den Chef persönlich zu Gesicht bekommen; in seinem Büro, daneben steht der leitende Oberarzt. Und das erste, was er zu mir sagt, ist: "Lassen Sie sich dann mal n neuen Kittel geben" Denn auf der Knopfleiste, auf Brusthöhe, prangte ein kleiner dunkelbrauner Fleck...

Ich weiß zwar nicht mehr, woher dieser stammt, sieht aber ganz schön nach Blut aus. Ach, würde ich doch nur öfter waschen! Oder überhaupt auf solche Erscheinungsmerkmale mehr Wert legen! Aber seht selbst: ist der denn wirklich so auffällig?

Hmmm, ok, eigentlich schon. Und die dezenten, im Original besser erkennbaren gelblichen Flecken außenrum machen es auch nicht gerade besser... Peinlich!

19.10.06

Zwei Beispiele, warum Größe doch nicht egal ist

"Die Hospitation"

Am letzten Montag war ich also, wie mit dem Adlatus des Chefs telefonisch vereinbart, zur Stelle, um in der Manege der "besten chirurgischen Abteilung in Deutschland" (Zitat...) zu zeigen, dass ich die nächste Sauerbruch bin. Oder, erst mal niemanden umzubringen. Ich glaube, das würde mich doch ziemlich schnell aus dem Bewerbungsrennen werfen.
War natürlich wie erwartet ein wenig bizarr, mich wie die letzten 5 Jahre aufs Fahrrad zu schwingen, die altbekannte Klinik zu betreten, um dann aber ganz den Profi zu geben. Dazu kommt, dass der Adlatus sich von früheren Begegnungen in meinem Gedächtnis vor allem dadurch festgesetzt hatte, dass er in der Röntgebesprechung mit dem Diensthandy anonym alle Anwesenden pausenlos angerufen hat, um aufzulegen, sobald sie rangehen, und sich dann totzulachen, wenn diese völlig entnervt waren... Der sollte mich also den ganzen Tag kritisch unter die Lupe nehmen?
Es war sehr entspannt insgesamt; Kaffee trinken, einen Tumor von der Größe eines Medizinballes aus einem Bauch holen, Kaffe trinken...
Ich mache keine Witze, er war nur unwesentlich kleiner als dieses Exemplar (ok, Anglerlatein abziehen = gut halb so groß, ABER IMMERHIN!), war eine coole OP. Der Tumor war so groß, dass ich auf eine dieser kleinen Trittstufen steigen musste, um was zu sehen. Ich meinte dazu, dass ich schon lange nicht mehr so etwas benutzen musste (anspielend auf meine nicht gerade geringe Körpergröße), worauf besagter Adlatus meinte "Naja, bei 1,82m sicher selten". Darauf ich "Das ist jetzt aber gut geschätzt", denn genau das ist meine Größe. Er: "Nein, ich habe ja die Bewerbungsunterlagen gesehen" Ich: "Da stand das aber nicht drin..." Er: "Der Chef hats aber extra reingeschrieben!" ...Schallendes Gelächter am OP-Tisch.
Ich glaub, hier fang ich an, wenn sie mir was anbieten. Die sind so peinlich wie ich selbst.

Stay tuned for Teil 2: "Das Bewerbungsgespräch in der Klinik der lebenden Toten" und einer kleinen Anekdote zum Thema "Wie Klinikverwaltungen sich einmischen"

13.10.06

Ich will Kinder, und das ist auch gut so

Heute hab ich mir im Buchladen (Ich sollte mir einen Aufkleber für mein Auto zulegen "Ich unterstütze meinen Buchhändler statt den Amazon. -Konzern". Naja, eigentlich sollte der Aufkleber lauten "Ich bin ein faule und chaotische Person und kann deshalb nicht einmal amazon.de nutzen, weil ich alles auf morgen verschiebe, bis es fast zu spät ist, und dann hoffen muss, dass der Mini-Buchladen von nebenan etwas Verwertbares führt") den Klinikleitfaden Chirurgie bestellt, denn am Montag fängt ja meine Hospitation an. Der Oberarzt, der sich wohl etwas um mich kümmern soll, hat am Telefon gemeint "...dann ziehen wir die Sache mal von der anderen Seite auf" (hoffentlich habe ich mich nicht verhört und er hat in Wirklichkeit von den "anderen Saiten" gesprochen), auf meine Nachfrage hat er dann erklärt, das bedeute "mal sich anschauen wie es wirklich ist...". Aha? Jedenfalls versuche ich mir - völlig unsystematisch im Moment - ein bisschen die Bauchraumanatomie wieder ins Gedächtnis zu rufen. Denn wenn eines sicher ist an dieser Hospitation, dann dass ich mit Anatomiefragen im OP nur so gepimpt werden werde. Tja, wie immer beim Wiederholen stellt sich die Frage: Was lernen? Alles schaffe ich natürlich nicht und das wäre dem Anlass auch nicht unbedingt angemessen. Also Schwerpunkte setzen. Dann muss man einfach aushalten, wenn man auf eine spezielle Frage absolut keine vernünftige Antwort hat. Oh, der Spott! Das Augenbrauenhochziehen!

Je mehr ich drüber nachdenke, um so mehr ärgert mich das letzte Bewerbungsgespräch. Es wurde vom Chef in genau dem machohaften patriarchalischen selbstgefälligen Ton geführt, der der Chirurgie bei vielen Medizinern ihren zweifelhaften Ruf als praktizierter Sadomasochismus unter "Metzgern mit Abitur" eingebracht hat. Schon zu Anfang, wir hatten uns alle gerade gesetzt, schaute er mich ernst an, Augenbrauen rauf, dramatisches Päuschen und sagte: "In der Chirurgie gibt's ja nicht viele Frauen...!" Darauf ich: "Aber immer mehr!" War das die richtige Antwort? Ich meine, wenn man diese Aussage von ihm zum Einstieg analysiert, was wollte er eigentlich damit sagen? Da gibt es einige, aber m.E. nicht sehr viele Optionen:

"In der Chirurgie gibt es ja nicht viele Frauen..."

1. "...und ich finde, das sollte sich schleunigst ändern!" Äh, intuitiv würde ich sagen: so hat er das ganz bestimmt nicht gemeint. Der fragende und bedeutungsschwere Tonfall, zusammen mit dem kritischen Stirnrunzeln sprechen wohl eher dagegen. Auch seine späteren Ausführungen über "die natürliche Rolle der Frau" würden doch nicht ganz so recht passen. Und schließlich hätte er dann auch ganz einfach ein schlichtes "leider" vor dem "nicht" einbauen können, vielleicht gefolgt von "wir streben daher die Erhöhung des Frauenanteils in unserer Abteilung an. Bei gleicher Eignung werden Frauen bevorzugt eingestellt" - ach nee, wart mal, das ist ja nur die offizielle Meinung der öffentlichen Arbeitgeber wie Universitäten und Krankenhäuser in ihren Stellenanzeigen.

2. "...und das sollte auch so bleiben!" Hmmm, ich möchte nicht allzu bitter sein. Aber ausschließen kann man diese Einstellung nach dem Gespräch nicht. Dennoch hat er mich ja schließlich höchstpersönlich zum Gespräch eingeladen, und ich bin eine Frau. Daher tendiere ich nach reiflicher Abwägung der verschiedenen Möglichkeiten am ehesten zu Nummer...

3. "...und das ist einfach so!" Verschiedene Indizien sprechen für eine fatalistische Einstellung zum Thema gender-mainstreaming: Einerseits enthält seine Aussage keinerlei Dynamik, er stellt einfach fest 'das ist so', weder 'früher gab es noch weniger' oder 'es gibt ja noch nicht so lange Frauen in der Chirurgie' o.ä.; außerdem ging er später ja noch auf die "natürliche Rolle der Frau" und die "harten Entscheidungen, die die Frauen treffen müssen" ein. Also nur die Frauen. Das ist eben so. Und darüber hinaus wirkte er sehr zufrieden mit seiner Abteilung und der Art, wie sie geführt wird und alle mitmachen. Warum sollte man da offen sein für neue Aspekte? Wie z.B. dass auch leistungsbereite Menschen, und unter denen gerade die schlauesten, die ihr Leben nachhaltig führen wollen, eine Familie wünschen. Und dass Männer, die sich nicht um Ihre Kinder kümmern, einfach nur suspekt sein sollten. Ganz zu schweigen von der in ihrer Polemik allerdings vertrauensunwürdigen Kinderlosigkeitsdebatte und ihren Forderungen. Jedenfalls denke ich, er wollte sagen: "unsere Regeln basieren auf einem System, das von traurigen bis skrupellosen Männern geprägt wurde, deren Kinder von opferwilligen Frauen versorgt werden, daran müssen sich alle anpassen. Und das ist auch gut so."

Hui, ich werde ja schon wieder so aggressiv. Aber was soll's, diesem alten Gaul von Chefarzt bringt man auch keine neuen Tricks mehr bei. Muss man sich eben alleine durchschlagen, um zu bekommen, was man von seinem einzigen Leben erwartet - und vielleicht wird ja doch nicht alles so heiß gegessen, wie es gekocht wird?
A propos Bitterkeit: Wollte nur darauf hinweisen, dass das kein allgemeiner Zug von mir ist. Und gerade weil ich bei den meisten Gelegenheiten erfahren habe, dass auch die Chirurgie nicht so sein muss, wie oben beschrieben, rege ich mich umso mehr auf, wenn ich mit solch einer reaktionären Haltung konfrontiert werde. Weil Chirurgie ein viel zu tolles Fach ist, um diesen Klischees zum Opfer zu fallen!




¡No pasarán!

9.10.06

cojones

Uffffff, das Bewerbungsgspräch an meinem Wohnort liegt hinter mir. Und es war genau wie erwartet. Im positiven wie nicht so positiven Sinn.
Eigentlich ist es sehr gut gelaufen, das vorneweg; der Chef hat mir zu Beginn gleich gesagt, er schaue sich sonst Bewerber normalerweise nicht persönlich an ("...und wir haben ja zehn mal mehr Bewerber als Stellen..."), meine Bewerbung wäre ihm aber aufgefallen, "Sie haben ja ein super Abitur" - dass mir meine Abinote nochmal was bringt, hätte ich ja auch nicht erwartet.
Außer ihm war noch eine Laborleiterin anwesend, die aus der Biologie kam und mir immer aufmunternd zugezwinkert hat, und später noch ein Oberarzt. Dann gingen die Fragen los, die Reihenfolge hat mich schon etwas irritiert:
Wie alt sind Sie? Was machen Ihre Eltern? waren die ersten. Ich habe wahrheitsgemäß geantwortet 26, Hausfrau und Gefäßchirurg. Das fand er ja ganz spannend und hat gleich gefragt:
Wie hat Sie das beeinflusst, dass Ihr Vater Chirurg ist? Das wollte er dann ganz genau wissen. Ich fand es nicht so leicht zu ahnen, was er hören wollte - also hab ich schlicht die Wahrheit gesagt, im Nachhinein kamen dabei einige etwas alberne Antworten heraus... Ich habe erzählt, dass es im Rückblick natürlich schon prägend war, einen Chirurgen zum Vater zu haben, aber dass er nie aktiv versucht hat meine Entscheidung zu beeinflussen, im Gegenteil sich demonstrativ zurückgehalten hat (aber er redet sowieso nie so viel...). Da wollte er dann aber wissen, wie ich das meine, geprägt? Darauf hab ich gesagt, dass es eher so Kleinigkeiten waren, in denen die Chirurgie einfach auf gewisse Weise präsent war, also handwerkliche Sachen zu Hause selbst machen, ich war immer die, die das Verbandszeug auf den Schulausflug mitgenommen hat, und - jetzt kommt die bescheurtste Antwort des Jahres 2006 - dass wir uns bspw. zu Fasching im OP-Klamotten verkleidet haben... TUSCH! Wie hohl! Naja, es scheint ihm aber gereicht zu haben.
Dann kam der Klassiker: Warum wollen Sie Chirurgie machen? Natürlich habe ich mir darüber vorher Gedanken gemacht, hab angefangen damit, dass mich das manuelle Arbeiten glücklich macht, das hätte ich an den Experimenten zu meiner Doktorarbeit gesehen, und außerdem gefällt mir die Teamarbeit, die in den besten Momenten intuitiv läuft, das fasziniert mich. Dann hat er mich schon unterbrochen - dabei hätte ich noch so viel an Argumenten zurecht gelegt gehabt!
Nun hat er übergeleitet zum Block "Familie und Beruf", hat erklärt sie wären das beste Krankenhaus in diesem Teil Deutschlands, dafür müssten alle was bringen, Chirurg könne man überall werden, aber hier muss in erster Linie geforscht werden, so dass Operieren die Belohnung für die Wissenschaft ist.
Dann gings ab, im Mittelpunkt stand nämlich auf einmal "Die natürliche Rolle der Frau", er hat erklärt, dass die Frauen so vor schwere Entscheidungen gestellt würden, und nach ein zwei Jahren Aussetzen für das Kind würden sie natürlich von anderen überholt. Aber trotzdem muss er Bilanz ziehen, wieviel jeder pro Jahr bringt an Veröffentlichungen, dann muss man sich vielleicht trennen, wenn für beide das Arbeitsverhältnis nicht das gewünschte ist, er fände das ja selbst ein so brutales System, aber... Habe ich schon erwähnt, dass er selbst 4 Kinder hat?
Er hat dann noch erzählt, dass sie ihre Leute ein bis zwei Jahre ins Ausland schicken fürs Forschen, in die USA, worauf ich geantwortet hab, finde ich toll, so schnell wie möglich.
Jetzt war der Oberarzt dran: Als erstes hat der mich gefragt, welche Unterschiede mir zwischen Chirurgie und Gynäkologie aufgefallen sind, in der ich ja auch drei Monate Praktikum gemacht habe? Das ist eine alte Fehde: Die Chirurgen sagen immer, die Gynäkologen können nicht operieren, mir war klar, dass er darauf hinaus wollte. Hab aber am Anfang nicht nachgegeben, sondern gesagt, dass mir Gyn viel Spass gemacht hat, dass ich da alleine für eine Woche die Station geführt habe und viel lernen konnte, dass mir aber die Beschränkung auf unterhalb der Gürtellinie (plus Brust) im Vergleich zu wenig ist. Er hat aber nochmal nachgelegt, er wollte es wirklich hören: "Und so in der OP-Technik?!" Also hab ich schließlich gemeint, dass es natürlich so etwas wie Anastomosen in der Gyn nicht gibt. Da war er zufrieden. Und hat dann gemeint, ich hätte ja eine Unmenge Hobbies, ob mir klar wäre, dass ich die nicht weiterführen kann? Ich hatte eingetragen Klavier, Literatur, TaeKwonDo, Volleyball, Bergsport.
Darauf hat wiederum der Chef angefangen, jovial zu lachen und gemeint "TKD, das ist doch so mit schlagen? Muss man da Angst vor Ihnen haben? Harhar" Alberner Kommentar.
Dann hat er noch gemeint, ich wirke so entschlossen, wie kommt das? Worauf ich mich wiederholt habe und gesagt, dass ich ja viel Gelegenheit hatte, mir das Fach anzuschauen.
Schließlich wollte er das Gespräch nach ca. einer halben Stunde abschließen, die Laborleiterin hat dann noch positiv eingeworfen, dass ich ja schon einige Publikationen hätte und mit 26 Jahren ja noch viel Zeit, etwas zu leisten *zwinker* (im Hinblick auf Familienplanung). Ich habe noch gefragt (ohne dass er mir Fragen angeboten hätte), in welche Labors im Ausland er denn konkret seine Leute schickt? Antwort: In die besten Labors in den USA! Gut gebrüllt.
Jetzt soll ich zum Hospitieren kommen, er meinte, er könne sich schon vorstellen, dass ich reinpasse.
Puuuh, mal sehen.

7.10.06

Wahl der Qual

Vor einer Woche habe ich vier weitere Bewerbungen abgeschickt - und die Ausbeute bisher sind bereits zwei Bewerbungsgespräche! Das erste wird nächsten Montag sein, an der Klinik, an der ich auch studiert habe. Kleiner Downer: Jeder, der mit mir dort studiert hat, sagt dazu nur mit ungläubigem Staunen "Und da willst Du wirklich hin?!??!" Tjaaa, weiß nicht? Ich finde die Vorstellung erstens schon etwas verwirrend, in derselben Klinik, in der ich schon als Studentin ratlos und durchaus auch öfters teilnahmslos bis apathisch meine Zeit verbracht und sogar vor kurzem in meiner letzten Prüfung geschwitzt habe, auf einmal als Ärztin zu arbeiten. Was, ich muss hier bleiben bis alles alles alles an Arbeit getan ist?? In den Besprechungen muss ich damit rechnen, tatsächlich angesprochen zu werden??? Wer hat meinen Studentenbonus abgeknipst? Wann ist das passiert? Und warum steht auf meinem PJ-Kittel in derselben Schrift auf einmal Assistenzärztin??
Zweitens ist der Chef ein Schleifer und die Klinik ein Moloch, sagt man sich. Außerdem kennt man nach dem Studium natürlich auch genau die Leute, denen man besser aus dem Weg geht. Die gibt es zwar überall, aber meine Regenbogenland-Illusionen über fremde Kliniken "hier sind alle sooo nett" wären in den ersten Monaten hilfreich für den "ich bin nichts ich kann nichts ich muss sofort unter meine Bettdecke"-Blues. Glaub ich.
Das andere Bewerbungsgespräch ist in einer großen Stadt in der Nähe der polnischen Grenze (got it?), in der Klinik meiner zweiten Wahl dort. Ich weiß allerdings so gut wie nichts über dieses Haus, da ich niemanden kenne, der jemals dort gearbeitet oder studiert hat. Die Lage ist gut. Ansonsten? Es wird nicht transplantiert. Schade.
Peinlich an der ganzen Sache: Schon gestern hat mir die Sekretärin auf die Mailbox gesprochen, dass sie nächste oder übernächste Woche mir einen Termin anbieten könnte. Und heute nochmal! Ich wußte auch, dass mir jemand auf die mailbox geredet hatte - ich habe allerdings heute nacht erst das Band abgehört... Zu Hause hab ich kaum Handy-Empfang, habe daher öfter mailboxnachrichten, meistens eher von der Art "*rausch...klick*" oder "haaallooo, hmmm, ruf doch mal zurück" , aber das ist natürlich die Grundregel No. 1, wenn man sich bewirbt: Für den Fall, dass irgend jemand Interesse hat, sollte man wirklich besser erreichbar sein!
Ich glaube, hier haben wir es eher mit einer klassischen Fehlleistung zu tun. In Wirklichkeit überfordern mich die anstehenden Entscheidungen nämlich völlig. Mein erstes Gespräch vor zwei Wochen wäre rein fachlich für das, was ich speziell machen möchte, die erste Adresse. Aber auch deswegen, weil ich das so haben will. Ein Gespräch an der Adresse, die ich aus wackligen Gründen zuvor zur ersten Wahl erkoren habe, alle nett, alles klappt, da kann man schlecht das Gefühl haben, eine fatale weil falsche Entscheidung getroffen zu haben. Die berühmte Qual der Wahl fängt also langsam an.
Aber vielleicht hab ich mein Telefon auch einfach nicht beachtet, weil in meiner WG ein paar Freunde wieder eingezogen sind, wir die Nächte zum Tag gemacht haben und ich morgens nicht in allerbester Verafssung war...

26.9.06

Kann ich das schriftlich haben?!?

Also, hatte ja per email an den leitenden Oberarzt eine Art Vorstellungsgespräch ergattert. Und so ist es dann gelaufen:
Letzten Mittwoch gegen 9.30h ("Kommense vorbei, wir werden schon Zeit für Sie finden") hab ich mich auf dem Chefsekretariat gemeldet, um mit dem leitenden Oberarzt zu sprechen. Die Sekretärinnen haben ein bißchen versucht, mich abzuwimmeln ("Der Professor L. ist aber grade im OP und Stellen haben wir sowieso gar keine"), aber nach kurzer Wartezeit hat er mich dann in sein Büro gebeten, und was folgte war eigentlich schon ein richtiges Bewerbungsgespräch. Zuerst hat er einen Schrank aufgemacht, um meine Unterlagen heraus zu suchen -aus einem ca. 50 cm hohen Stapel von Bewerbungen! Der Mut sank...
Aber das Gespräch war zusammengefasst kurz und angenehm. Der Herr Prof. L. verkörpert nämlich den spritzig-witzigen Chirurgen-Typus, und auch das äußerliche Erscheinungsbild verleugnet nicht den Beruf: Groß, sportlich, die altbekannten Birkenstock-Clogs in weiß, dazu stilecht und kochfest die weißen Arztsocken unter der ebenfalls weißen und kochfesten Krankenhaus-Hochwasser-Hose (seit der Assistentenzeit in derselben Größe bei der Wäscherei geordert, auch wenn die körpernahe Passform heute etwas strammer sitzt...). Ach ja, da fehlte noch was: Und ein Polohemd! Haaach, es kam mir einfach so bekannt vor, fühlte mich gleich wohl.
Er hat mich zunächst mal gefragt, warum ich nicht in (hier einsetzen: Stadt, in der ich studiert habe mit bekannter chirurgischer Abteilung) bleibe? Ich habe erklärt, dass bei uns der Schwerpunkt eher auf der Krebschirurgie liegt, mich aber mehr die TRANSPLANTATIONSCHIRURGIE interessiert, in diesem Bereich habe ich auch meine Doktorarbeit gemacht und daher gefalle mir das Forschungsprofil an seiner Klinik besser. Forschungsprofil, das Wort hat ihn herausgefordert, da hat er gefragt "So, was forschen wir denn hier so??" Zum Glück hatte ich mich natürlich schlau gemacht vorher und so hab ihm zwei Forschungsgruppen aufgezählt, die mich interessieren würden. Dann kam die Frage "Und Sie wollen Chirurgin werden? In diesem Fach ist die Arbeitsbelastung ja sehr groß. Haben Sie sich das gut überlegt?" Aber klar, hab ich! Ich habe schließlich nur chirurgische Famulaturen gemacht (= Pflichtpraktika, bei denen man sich das Fach frei wählen kann), war in Amerika und London für mein Praktisches Jahr, und schließlich, hab ich meinen letzten Trumpf eingeleitet, hätte ich ja seit meiner Geburt gesehen, wie der Alltag aussieht, da mein Vater selber Chirurg ist. Das schien ihn zufrieden zu stellen, und danach hat er unaufgefordert über die Frauenfreundlichkeit der Abteilung erzählt.
Dann das nächste Klischee: Sein Telefon klingelt, er: "Habt ihrs schon draußen? Alles? OK, ich komme", legt auf und meint: "Ich muss wieder in den OP". So kennt man das.
Er hat mir dann noch erklärt, dass zur Zeit ein Stellenstopp herrscht und dafür gesorgt, dass ich am nächsten Tag den Chef sprechen konnte. Sein Abschlusssatz war: "Initiativvorstellungen sind manchmal gar nicht schlecht. Hab ich auch mal gemacht vor 20 Jahren und bin immer noch hier...!"
Am Tag danach, nach etwas längerer Wartezeit von 1 3/4 h, habe ich mich dann dem Chefarzt vorgestellt. Der war so ganz der Typ netter ehrwürdiger älterer Chef, das Gespräch war ebenfalls sehr angenehm, eingeleitet vo Prof. N. mit der Aussage: "Der Prof. L. hat Sie gestern ja schon quasi eingestellt" - Was hatte das zu bedeuten? Ich dachte, es gäbe einen Stellenstopp? Oder war das nur ein Scherz? Ein Mißverständnis? Ich war verwirrt. Weiter gings mit weitgehend den selben Fragen wie am Tag zuvor. Warum bleiben Sie nicht in (hier einsetzen: Stadt, in der ich studiert habe mit bekannter chirurgischer Abteilung)? Warum zu uns? Kennen Sie die Arbeitsbelastung, sind Sie bereit, die zu ertragen? Was können Sie manuell schon? Was haben Sie in der Doktorarbeit gemacht? Dabei waren aber alle diese Fragen in ein nettes Gespräch eingebaut. Dann kam wieder die Erklärung, bei Frauen seien sie in dieser Abteilung "nicht zimperlich", die würden durchaus gerne eingestellt.
Schließlich eine Frage, die mich etwas aus der Bahn geworfen hat: "Was hat denn der Prof. L. gestern gesagt, ab wann können wir Sie einstellen?" War das ein mündliches Angebot?? Ich hab darauf gesagt, dass er von einem Stellenstopp gesprochen hätte, aber der Chef meinte dann, dass vor Ende des Jahres sicher eine Stelle drin wäre. ??? . Bin dann ganz perplex aus dem Büro gegangen, auch heute weiß ich nicht, was ich darüber denken soll. Es klang alles sehr sehr gut, aber kann ich mir davon was kaufen? So geht das Warten wieder weiter...

14.9.06

Einmal, im Operationssaal,... #1

Einmal, im Operationssaal,
es war gerade einer dieser ruhigen Phasen in einer sowieso planmäßig laufenden Routine-OP in der Gynäkologie und alle waren still, relaxt und konzentriert bei Arbeit, das einzige Geräusch kam von den Monitoren und Beatmungsgeräte. Bis auf einmal das Diensttelefon des Anästhesisten klingelte; die Operateure (und der Hakendepp = PJlerin = ich) schauten auf, ein metaphorisches Fragezeichen im Gesicht, die Melodie kannte doch irgenwie jeder, war das nicht, mitten in die Stille hinein, doch es war... die Titelmelodie der Schwarzwaldklinik als Klingelton. Großes Kino!

Frechheit siegt

Nächste Woche habe ich ein Bewerbungsgespräch an einer der Kliniken, denen ich meine Bewerbung geschickt habe! Oder zumindest so etwas ähnliches wie ein Bewerbungsgespräch...
Zwei Wochen nach Abschicken der Unterlagen habe ich im Sekretariat dort angerufen, und mir wurde gesagt, die Bewerbung sei an den leitenden Oberarzt weitergegeben worden, es gäbe von ihm noch kein Feedback, aber ich könne ihm jederzeit gerne eine email schicken. Ich dachte mir, dass ich so ein Angebot doch auf jeden Fall irgendwie wahrnehmen müßte, nur hatte ich eigentlich gar nichts weiteres zu schreiben, als das, was sowieso in meinen Unterlagen stand. Also hab ich kurzerhand kreativ einen fiktiven Aufenthalt in der Stadt erwähnt, und dass ich mich ihm bei dieser Gelegenheit gerne persönlich vorstellen würde. Und: Es hat geklappt! Antwort war: Kommse vorbei, wir werden schon Zeit finden.

Uiuiui, bin schon sehr gespannt. Fast mein ganzes Umfeld bewirbt sich gerade, macht das Studium fertig oder hat gerade mit dem Arbeiten angefangen, und bei manchen läuft es alles andere als gut. Wo ist er denn, der Ärztemangel, von dem man schon so viel gehört hat? Aber andere hatten auch das berühmte "ein Schuss, ein Treffer"-Glück. Hängt stark vom Ort und Fach ab: Gynäkologe oder Kinderarzt in Heidelberg werden wollen = mehr Glück im Samstags-Lotto; Psychiater oder Hausarzt in Neuruppin = den Kranken werden Tränen der Dankbarkeit in den Augen stehen. Ich persönlich liege irgendwo dazwischen. Glaub ich.
Spannende Zeiten.

4.9.06

Was bisher geschah...

31.08.06:
Eine Woche nach Abschicken der ersten drei Bewerbungen hab ich heute einen Brief von einer der Kliniken erhalten:
"...danke für Ihre interessante Bewerbung... leider zur Zeit alle Stellen besetzt... würden Ihre Unterlagen gern bis zur Besetzung der nächsten Stelle behalten..."
Hmmm - es ist ja grundsätzlich alles mal besser als eine Absage. Hatte nur gehofft, dass an großen Abteilungen immer irgendeine Stelle mittelfristig zu vergeben wäre. Ich habe außerdem gehört, dass der Chefarzt dort demnächst bald pensioniert wird, vielleicht auch deswegen vorerst keine Einstellungen mehr? Oder ist das eine völlig abwegige Erklärung?? Und wann geht der denn genau?
So vergehen die Tage mit schlechtem Wetter, Warten und Spekulieren. Mein PJ (Praktisches Jahr, das letzte Jahr des Medizinstudiums in Deutschland) war im März zu Ende, so langsam bräuchte ich mal wieder ein bisschen action in meinem Leben. Nur jeden Tag mit Ach und Krach und leider nur halber Motivation ein paar Zeilen der Doktorarbeit hinzuzufügen ist keine ausfüllende Tagesbeschäftigung. Ich hätte mich vielleicht doch früher bewerben sollen... hätte, wäre, wenn, man muss es nehmen, wie es kommt, und vieles ist wohl tatsächlich einfach nur Zufall.


24.08.06:
Nach einem Telefongespräch mit meiner besten Freundin, die sich gerade für Gynäkologie-Stellen bewirbt, und nachdem ähnliche Gedanken schon länger in meinem Kopf gekreist sind, haben sie und ich uns für die Zukunft die Gründung einer Art Deutschen Gesellschaft für Frauen in operativen Fächern vorgenommen (Voreilig, wie meinen?). Ich hatte zwar schon öfter im Internet nach ähnliche Organisationen gesucht, weil ich einfach nicht glauben konnte, dass so etwas wie ein Chirurginnenbund o.ä. nicht schon existiert. Tut es aber für Deutschland nicht.Man kann Einrichtungen wie die Association of Women Surgeons oder Women in Surgical Training von Deutschland aus nur bewundern und ihre Mitglieder beneiden (und natürlich internationales Mitglied werden!).Tja, und da habe ich heute den Begriff "frauen in operativen fächern" gegooglet, und was das Suchmaschinchen ausgespuckt hat, kann pessimistischeren Naturen durchaus als symptomatisch gelten:Es gab einen einzigen Treffer. Rechts stand eine Google-Anzeige, die offenbar anspringt, sobald man "frauen" eingibt:
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Jetzt zum Treffer: Er verwies auf das online-Forum des Deutschen Ärzteblatts, genauer gesagt auf eine alte Diskussion von 2002, gestartet von einem männlichen Oberarzt in der Chirurgie, der spontan schilderte, dass ihm unter anderem an Frauen in der Chirurgie nicht passt, dass sie ihm vorwerfen, sie dürften bestimmte Sachen bei ihm nicht operieren, bloß weil sie Frauen seien; er redet in seiner unendlichen Unbegabtheit über "Mäuschen" und "Mannsweiber" und schließt mit den Worten

"Wie man es macht, macht man es falsch. Einfacher geht das ohne Frauen in operativen Fächern! "

Der Rest der Diskussion wurde im Stil eines Forums von pubertierenden Bullies geführt, die sich gegenseitig über Tippfehler des anderen mokierten.
Frustration, Desolidarisierung, Feindseligkeit, Unfähigkeit und am schlimmsten Dummheit, soweit man schauen konnte. Nicht vergessen, das sind nicht einfach nur irgendwelche Menschen in Deutschland, was ja schon schlimm genug wäre, nein, das sind die lieben zukünftigen Kollegen oder gar Vorgesetzten!
Manchmal kann man tatsächlich nicht so viel fressen, wie man kotzen möchte.